Lisa Batiashvili | News | Booklettext: Batiashvili City Lights - 5.6.2020 (VÖ) (DE/EN)

Lisa Batiashvili
Lisa Batiashvili

Booklettext: Batiashvili City Lights – 5.6.2020 (VÖ) (DE/EN)

04.05.2020
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CITY LIGHTS
ALLES BEGANN MIT EINER UNTERHALTUNG AM KÜCHENTISCH:
Zwei führende Musiker Georgiens, die auf der ganzen Welt tätige Geigenvirtuosin Lisa Batiashvili und Nikoloz Rachveli – Dirigent, Komponist und musikalisches Multitalent –, mit dem sie seit zwei Jahrzehnten befreundet ist, besprachen zukünftige Musikprojekte. Allmählich zeichnete sich dabei ein Thema ab: »Während unseres Gedankenaustauschs«, erinnert sich Batiashvili, »begannen wir, über Genies wie Charlie Chaplin und Ennio Morricone zu sprechen – unglaubliche Musiker, deren Werke zwar nicht zum klassischen Repertoire gehören, aber das gleiche Qualitätsniveau haben.« Beide überlegten, wie sie diese Kompositionen zum Ausgangspunkt eines neuen Projekts machen und sinnvoll kombinieren könnten, und schließlich hatte Rachveli die zündende Idee: Er schlug vor, ein Album mit Stücken aufzunehmen, die jeweils einer Stadt gewidmet sind.
So entstand das Album CITY LIGHTS, dessen Titel Chaplins Film Lichter der Großstadt von 1931 entlehnt ist. Gemeinsam mit Rachveli schuf Batiashvili damit eines ihrer persönlichsten Projekte – ein Album, das Genre-Grenzen sprengt, Erinnerungen, Orte, Klänge und Musik verbindet und von so tiefer wie eindringlicher Wirkung ist. Die Vorbereitung des Programms dauerte zwei Jahre, und der Ausgangspunkt der Reise war eine Hommage an Charlie Chaplin.
Die Chaplin-Suite CITY MEMORIES basiert unter anderem auf Musik, die der Schauspieler für seine Filme komponierte (darunter das Thema von Moderne Zeiten, das auch als der Song »Smile« berühmt wurde). Obwohl Rachveli langjährige Erfahrungen als Arrangeur und Komponist hat, stellte ihn das Bearbeiten dieser Musik für die befreundete Geigerin vor ganz besondere Herausforderungen, und das Gesamtkonzept nahm erst beim gemeinsamen Proben des Stücks, mit dem das Album dann später beginnen sollte, endgültig Form an. »Dies war unsere Grundidee«, erzählt Batiashvili, »danach entwickelten wir den Ehrgeiz, kreativ an jedes Stück und jede Stadt heranzugehen, also für jede ein speziell arrangiertes Stück zu haben.« Dabei betont die Geigerin, dass die Umsetzung eines so komplexen Projekts ohne den Produzenten Jonathan Allen und seine innovative, unkonventionelle Arbeitsweise nicht denkbar gewesen wäre.
JEDES ARRANGEMENT IST EIN VIELSCHICHTIGES MUSIKALISCHES PORTRÄT EINER STADT, DIE LISA BATIASH VILI AM HERZEN LIEGT.
Die PARIS gewidmete Bearbeitung entspringt zum Beispiel der Tatsache, dass ihr Mann Franzose ist und den Großteil seines Lebens in Paris gelebt hat – und dass die 17 Musik von Michel Legrand sie seit Kindertagen begleitet: Der Themenreichtum von Paris violon erschien einfach unwiderstehlich. Und Rachveli bekennt, dass Batiashvilis Lebensgeschichte sogar auch mit diesem Arrangement verbunden ist: »Lisas Mann ist ein großartiger Oboist, deshalb spielen Violine und Oboe an zwei oder drei Stellen im Duett. Das ist ein kleines Geheimnis – auch wenn es jetzt nicht mehr so geheim ist…«
Ebenso vielschichtig ist auch das Stück zu BERLIN, das ebenfalls alte Aufnahmen anklingen lässt, um ein nostalgisches Geschichtsgefühl zu vermitteln – in diesem Fall eine Erinnerung an das dunkle Nachkriegsjahrzehnt Berlins. »Wenn man einen Menschen oder eine Stadt liebt«, betont Rachveli, »muss man sie natürlich mit ihrer ganzen Geschichte lieben.« Entsprechend handelt es sich hier um weit mehr als eine bloße Bearbeitung des Lieds Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin, das durch Marlene Dietrich berühmt wurde (die übrigens in Weimar Geige spielen gelernt hatte, bevor sie sich der Bühne zuwandte). Nach einer vorbereitenden Einleitung betreten wir einen Jazzclub – eine Welt, die durch einen der zahlreichen herausragenden Gastkünstler des Albums verkörpert wird: den in Berlin lebenden Trompeter Till Brönner. Dazu Batiashvili: »Das Großartige an diesem Stück ist, dass ich nicht versuche, eine Art Fake-Jazzmusikerin zu sein, und er seinerseits nicht versucht, eine klassische Partie zu spielen. Wir machen beide unser Ding und treffen uns bei diesem Arrangement.«
Auch für andere auf dem Album vertretene Städte bezogen Lisa Batiashvili und Nikoloz Rachveli Musiker, die sie bewundern, aus dem gesamten musikalischen Spektrum mit ein. Für LONDON – eine Stadt, die die Geigerin immer noch als eine der wichtigsten für ihre musikalische Laufbahn betrachtet – dachte sie sofort an Katie Melua, die Georgien ebenso wie Batiashvili als Kind verließ: »Beim Hören ihrer Musik bewunderte ich jedes Mal ihr musikalisches Können, ihre Ehrlichkeit und – in positivem Sinn – ihre Einfachheit.« Doch es blieb Rachveli überlassen, die Künstlerin, mit der er schon früher zusammengearbeitet hatte, dann zu kontaktieren: »Als ich sie anrief und ihr das Album erklärte, sagte sie einfach: ›Ich habe gerade ein Lied über London geschrieben. Ich kann euch eine Aufnahme per Handy zusenden, und wenn ihr sie mögt, werde ich natürlich gern bei eurem Projekt mitmachen!‹«
Für BUENOS AIRES gab es nur eine einzige echte Option: die Musik von Astor Piazzolla – auch wenn Batiashvili zugibt, dass es schwierig ist, die Musik dieses Tango-Meisters auf originelle Weise zu präsentieren. Die Geigerin war nur ein einziges Mal in Buenos Aires, fühlt sich Argentinien jedoch stark verbunden, da sie von zwei dort geborenen Künstlern maßgeblich beeinflusst wurde: ihrer früheren Geigenlehrerin Ana Chumachenco und dem Dirigenten und Pianisten Daniel Barenboim, mit dem sie regelmäßig zusammenarbeitet. Dabei war von vornherein klar, dass Miloš Karadaglić als Gastmusiker auftreten würde; er inspirierte Rachveli dazu, in der Klangsprache des Tangos die Möglichkeiten einer Verbindung von Violine und Gitarre zu erkunden.
Ein Musikstück aus Cinema Paradiso, einem der Lieblingsfilme aus Batiashvilis Kindheitstagen, steht für Morricone und ROM – eine Stadt, in der die Geigerin lange Zeit als Artist in Residence des Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia weilte. Rachveli hatte das Stück schon zu einem früheren Anlass für Violine, Cello und Orchester arrangiert, und als Gastkünstler war von vornherein der Cellist Maximilian Hornung gesetzt: »Ich kenne ihn, seit er neun Jahre alt war«, erinnert sich Batiashvili, »und er spielte schon damals das Elgar-Konzert!«
Für NEW YORK arrangierte Lisa Batiashvilis Vater das berühmte Largo aus Dvořáks Symphonie »Aus der Neuen Welt«; 21 für MÜNCHEN bearbeitete der schwedische Komponist Anders Hillborg das bewegende Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ von Johann Sebastian Bach, und WIEN wird durch den Furioso Galopp von Johann Strauß Vater repräsentiert. HELSINKI und BUKAREST werden mit zwei sehr unterschiedlich behandelten Volksliedern porträtiert: die finnische Hauptstadt durch Jarkko Riihimäkis sanftes Arrangement des Abendlieds und Bukarest durch eine virtuose Adaption des Volkslieds Die Lerche durch den Cellisten der Berliner Philharmoniker Stephan Koncz. »Als ich mir das zum ersten Mal anschaute«, räumt Batiashvili ein, »war ich mir nicht sicher, ob ich es spielen könnte – für den Solisten und das Orchester ist es sehr schwer. Doch als wir mit den Proben in Georgien begannen, merkten wir, was für ein fantastisches Stück das ist, und dann hat es allen viel Spaß gemacht!«
Mit dem letzten Stück des Albums kehren die Musiker in ihre Heimat Georgien und nach TBILISSI (Tiflis) zurück: Sie spielen eine Zusammenstellung von Stücken des Komponisten Gija Kantscheli, der kurz vor seinem Tod 2019 zu dem Projekt stieß. »Sein Tod war für mich ein sehr schwieriger Moment«, erzählt Rachveli, »denn wir standen uns sehr nahe. Außerdem fiel es uns schwer zu entscheiden, welche Stücke für Tbilissi stehen sollten.« Für beide Musiker ist dieses Arrangement natürlich sehr gefühlsbeladen. »Für mich ist es mit meiner Kindheit verbunden, mit nostalgischen Gefühlen und mit meiner Liebe zu dem Land, seinen Menschen und seiner Luft«, sagt Batiashvili. »Es drückt alle unsere Gefühle und in gewisser Weise auch Ängste bezüglich unseres Landes aus, es geht um Zusammenhalt und um Vertrauen. Die jungen Leute wollen frei sein und Europa nahestehen, während sich andere immer noch mit der Vergangenheit abkämpfen. Die Musik macht diesen Kampf sehr deutlich. Doch wenn ich sie spiele, finde ich Frieden.«
Hugo Shirley
 
 
CITY LIGHTS
IT ALL STARTED WITH A CONVERSATION AT THE KITCHEN TABLE BETWEEN TWO OF GEORGIA’S LEADING MUSICIANS:
International violin virtuoso Lisa Batiashvili and composer, conductor and musical polymath Nikoloz Rachveli. The pair, friends for over two decades, were discussing possible musical projects when a theme started to develop. “While we were brainstorming,” Batiashvili remembers, “we started talking about such genius personalities as Charlie Chaplin and Ennio Morricone – such incredible musicians who wrote music that, though outside the classical repertoire, is on the same level of quality.” They wondered how this could be a starting point for a new project, how to bring it together in a meaningful way. Then inspiration struck: Rachveli suggested an album built around cities, with music dedicated to each.
Thus CITY LIGHTS was born. Taking its name from Chaplin’s 1931 film, the project would see Batiashvili work together with Rachveli to create one of her most personal projects ever – an album that crosses genres, mixes memory, place, sounds and music to powerful and haunting effect. The programme was built up over more than two years, with its opening tribute to Chaplin as a starting point.
The Chaplin suite CITY MEMORIES draws on music composed for Chaplin’s films by Chaplin himself (including the theme for Modern Times, also made famous as the song “Smile”) and others. Though Rachveli is a hugely experienced arranger and composer, he was challenged especially by having to create arrangements for his violinist friend. And it was only when rehearsing what would be the album’s opening track that the concept for the rest of the project became clear. “This was the founding idea,” says Batiashvili, “and then came the ambition to be creative on each of the tracks for each of the cities, to have a special arrangement for each of them.”
EACH OF THESE SPECIAL ARRANGEMENTS OFFERS A MULTI-LAYERED MUSICAL PORTRAIT OF A CITY THAT IS IMPORTANT TO BATIASHVILI.
That for PARIS, for example, reflects the fact that her husband is French and has lived most of his life in Paris. The music of Michel Legrand, meanwhile, is something that she remembers listening to since she was a child; the confluence of themes in Paris violon seemed too perfect to resist. And Batiashvili’s own personal history is even woven into the arrangement, Rachveli reveals: “Lisa’s husband is a great oboe player, and that’s why there are two or three moments when the violin and oboe have a duet. This is a little secret … even if it’s not so secret now!”
There are further multiple layers for BERLIN, another track that lets old recordings break through the surface to add extra sense of history and nostalgia – evocative in this case of the dark post-war decade of the city’s history. “When you love a person or a city,” Rachveli points out, “you have of course to love it with its whole history.” This is therefore far more than a simple reworking of Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin (I’ve left a suitcase in Berlin), made famous by Marlene Dietrich, who herself trained as a violinist in Weimar before turning to the stage. An introduction sets the scene before the arrival in a jazz club, a world represented by one of the several remarkable cameos on the album: by Berlin-based trumpeter Till Brönner. “What’s great about the piece”, Batiashvili points out, “is that I’m not trying to kind of be a fake jazz musician, nor is he trying to play a classical part. We are both doing our thing and come together in this arrangement.”
Other cities on the album are defined by further collaborations with artists across the musical spectrum that Batiashvili and Rachveli admire. For LONDON, a city that the violinist still sees as one of the most important for her musical life, the name that immediately sprang to mind was that of Katie Melua, who, like Batiashvili, left Georgia as a child. “Every time I’ve listened to her music, I’ve admired her musicianship, her honesty, her simplicity – in a good way,” she says. But it was left to Rachveli, who’d worked with Melua in the past, to make the call: “When I called her and explained the album, she just said: ‘I’ve just finished composing a song about London. I can send a recording of it by phone, and if you and Lisa like it, of course I will be happy to be part of your project!’”
For BUENOS AIRES, there was only really one option: the music of Astor Piazzolla, even if Batiashvili acknowledges that it’s difficult to present the tango master’s music from an original angle. She’s only been to Buenos Aires once, but feels strong links through two major musical influences originally from Argentina: her former violin teacher, Ana Chumachenco, and the conductor and pianist Daniel Barenboim, a regular collaborator. For the track itself, it was clear from the start that Miloš Karadaglić would be the guest, inspiring Rachveli to explore how to combine violin and guitar within the tango idiom.
Cinema Paradiso, a childhood favourite of Batiashvili’s, was chosen to represent Morricone and ROME, a city in which she’d spent a great deal of time as Artist in Residence with the Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia. Rachveli had already arranged the piece for violin, cello and orchestra for an earlier occasion, and cellist Maximilian Hornung – “I’ve known him since he was 9 years old,” Batiashvili remembers, “and he was already playing the Elgar Concerto!” – was the obvious partner.
FOR NEW YORK, THE VIOLINIST’S OWN FATHER PROVIDED THE ARRANGEMENT OF THE FAMOUS LARGO OF DVOŘÁK’S “NEW WORLD” SYMPHONY.
For MUNICH, Swedish composer Anders Hillborg arranged Bach’s haunting Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ, while VIENNA is represented by Johann Strauss I’s Furioso Galopp. For HELSINKI and BUCHAREST, by contrast, there are very different treatments of folksong. For the Finnish capital, Jarkko Riihimäki creates a gentle arrangement of Evening Song; for Bucharest, Berlin Philharmonic cellist Stephan Koncz conjures up virtuosic treatment of the folksong The Lark. “When I first looked at it,” Batiashvili admits, “I wasn’t sure that I’d be able to play it – it’s difficult for soloist and orchestra. But, when we started playing it in Georgia, we realized what a fantastic piece it was and everybody had real fun playing it!”
Georgia and TBILISI offer a homecoming for the album’s final track, bringing together melodies by Giya Kancheli, who became part of the project shortly before he died in 2019. “For me it was very difficult,” Rachveli admits, “because we were very close, and it was difficult also to choose which melodies to represent Tbilisi.” For both artists, it’s a track that inevitably carries great emotional weight. “For me it’s related to my childhood, my nostalgia, my love for the country, the people, the air,” says Batiashvili. “It brings together all our feelings, as well as, in a way, our anxieties about our country, about keeping together, being faithful to one another. The young people want to be free and close to Europe, while for others there’s still a struggle with the old history. That struggle is very much in the music. But in the end, when I play it, I find peace.”
Hugo Shirley

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