Als sich der 19-jährige Martynas Levickis 2010 heimlich zum litauischen TV-Casting „Lietuvos Talentai“ anmeldete und am Ende mit haushohem Anstand gegen die anderen Kandidaten durchsetzte, war er dennoch nicht sicher, einen Schritt in die richtige Richtung getan zu haben. Der junge Balte studierte damals noch an der altehrwürdigen Royal Academy in London Musik mit Akkordeon im Hauptfach.
„Ich hatte in England zunächst niemanden von meiner Teilnahme an der Show erzählt. Ich dachte, man würde mich verurteilen, weil mein Auftritt nicht klassisch und ‚ernst’ war. Doch tatsächlich waren alle nett zu mir, als sie von meinem Sieg erfuhren, und freuten sich für mich“, erzählt Martynas. Facebook und Youtube hatten sein kleines Geheimnis schnell gelüftet und publik gemacht.
Inzwischen ist Martynas im Baltikum allgemein bekannt und seinen Bachelor-Abschluss von der Londoner Musikhochschule hat er ebenfalls in der Tasche – genau wie einen Plattenvertrag mit Decca Classics (Universal Music), die Aussicht auf eine Karriere als Weltstar inklusive. Das Zeug dazu hat er ohne Zweifel. Mit dem Album „Martynas“ stellt er sich jetzt international einem breiten Publikum vor.
Geboren am 11. Juni 1990 in der litauischen Kleinstadt Tauragé, war es für Martynas bereits als Teenager eine klare Sache, dass er nach der Schule Berufsmusiker werden wollte. Mit kaum drei Jahren hatte ihm sein Patenonkel ein kleines Akkordeon geschenkt, mit dem er ausgiebig experimentierte, was vorzugsweise in den Wäldern Litauens geschah. Dort hatte seine Familie in jenen Tagen ein Ferienhaus. Das seien angenehme Erinnerungen an seine Kindheit, verrät der Künstler. „Ich bin damals oft mit meiner winzigen Quetschkommode durch den Wald spaziert, spielte Volkslieder, sang dazu und hatte Freude dabei. Ein paar Jahre später bekam ich ein riesiges, russisches Akkordeon. Mit dem musste ich zunächst vor einem Spiegel üben, damit ich die Tasten überhaupt sehen konnte und wusste, wohin mit den Fingern.“
Erst mit acht Jahren bekam Martynas schließlich Unterricht. Bis dahin Autodidakt, war er erst einmal recht irritiert, dass es durchaus Techniken und Regeln gibt, wie man ein Akkordeon zum Erklingen bringt. „Ich hatte mir ein Zwei-Finger-Suchsystem angewöhnt, aber meine Lehrerin wies mich an, ich solle alle fünf Finger jeder Hand benutzen. Das konnte ich anfangs gar nicht begreifen. Die ersten zwei Jahre machte ich auch keine nennenswerten Fortschritte. Ich war vielleicht talentiert, doch das Üben lag mir nicht besonders.“
Das änderte sich, als Martynas zwölf war. Seine Lehrerin fand ihn damals schon so gut, dass sie ihren begabten Schüler bei ersten Wettbewerben anmeldete. Schon mit 14 war dieser dann der erste Akkordeonist seines Landes, der den Königin-Morta-Preis gewann (2004). Vier Jahre später entschloss er sich – befeuert von Verwandten und Freunden –, ein Musikstudium an der Royal Academy zu beginnen, ganz allein, ohne jemanden in London oder England zu kennen.
„Ich wusste, dass das eine tolle Hochschule mit großer Reputation ist. Ich habe bei einer Audition vorgespielt und wurde gleich angenommen. Erst da fiel mir auf, dass ich gar kein Geld für das Studium hatte. Meine Mutter ist Köchin in einer Restaurantküche in Litauen und konnte mir nicht helfen. Aber da meldete sich dieser deutsche Unternehmer namens Zwick, der in meiner Heimatstadt eine Fahrradfabrik betreibt. Er hatte mich im Fernsehen gesehen und bot an, meine musikalische Ausbildung finanziell zu unterstützen. Ich nahm sein Angebot dankbar an“, blickt Martynas zurück.
Doch dann die weltweite Finanzkrise. Sein Mentor konnte ihm nicht länger unter die Arme greifen. „Ich hatte nichts und wusste nicht, wovon ich leben sollte. Eine schlimme Zeit. Da bin ich in die USA geflogen, mit gerade einmal 20 englischen Pfund im Portemonnaie. Ich hatte großes Glück. Die Organisatoren eines großen Akkordeon-Festivals, die mich über Youtube kannten, wollten einige Konzerte für mich auf die Beine stellen und hielten Wort. Als ich nach Europa zurückflog, hatte ich sogar etwas Geld verdient.“
Nun ging es bergauf. 2009 gewann Martynas den AAA-Wettbewerb in Memphis, Tennessee, im Jahr darauf bekam er den zweiten Preis bei der Rini-Galla-Competition in Kalifornien und durfte zudem im kroatischen Varaždin den Coupe Mondiale, den Preis der inoffiziellen Weltmeisterschaften der Akkordeonisten, in seinen Trophäenschrank stellen (2010). „Ich konnte das selbst kaum fassen“, gesteht Martynas. Seitdem geht es für ihn stetig voran.
Von Litauen über London in die ganze Welt. Martynas Levickis, nun 23, ist bereit. Sein Album-Programm „Martynas“ ist seine musikalische Visitenkarte – gedacht zum Kennenlernen und Weiterempfehlen! Keine Frage: Man wird noch viel von ihm hören.
(Stand: Juni 2013)
Martynas im Web: