Es gibt Menschen, die denken stets in großen Zusammenhängen. Für die alles groß sein muss. Und es gibt auch Menschen, die in überdimensionalen Zusammenhängen denken. Für sie muss alles überdimensional sein. Und dann gibt es noch eine Kategorie Mensch: Meat Loaf.
Seit nunmehr 35 Jahren steht der als Marvin Lee Aday geborene Sänger wie ein turmhoher Fels in der musikalischen Brandung. Das legendäre “Bat Out Of Hell”-Album aus dem Jahr 1977 machte den einstigen Football-Spieler (zu Highschool-Zeiten), Nachtclub-Türsteher und Bühnenschauspieler im Handumdrehen zu einer Ikone der internationalen Rocklandschaft. Besagtes Album – episch angelegt, klanglich fast schon wie eine Oper und mit so unglaublich viel Leidenschaft von Meat Loaf eingesungen – hat sich weltweit über 43 Millionen Mal verkauft und zählt damit noch immer zu den erfolgreichsten Platten aller Zeiten.
Mit Alben wie “Dead Ringer” (1981), “Bad Attitude” (1984) sowie den beiden “Bat Out Of Hell”-Nachfolgern “Bat Out Of Hell II: Back Into Hell” (1993) und “Bat Out Of Hell III: The Monster Is Loose” ist es Meat Loaf gelungen, seinen Status als Ikone über Jahrzehnte hinweg zu unterstreichen und sich immer wieder aufs Neue zu beweisen. Gewiss gab es Künstler, die zwischenzeitlich versucht haben, seinen Sound zu kopieren, doch steht außer Frage, dass das keinem auch nur ansatzweise gelungen ist.
Jetzt, über dreißig Jahre nach seinem internationalen Durchbruch mit dem ersten Teil der “Bat”-Trilogie, meldet sich Meat Loaf mit einem brandneuen Album zurück: “Hang Cool Teddy Bear” – wobei der Titel auf einer Zeile aus dem trashigen Russ-Meyer-Film „Blumen ohne Duft“ (Originaltitel: “Beyond The Valley Of The Dolls”) basiert. Vom ersten (“Peace On Earth”) bis zum letzten der 13 Songs (“Elvis In Vegas”), gelingt es dem schreienden und um sich tretenden Meat Loaf, seinen unverwechselbaren Sound ins neue Jahrtausend zu transportieren.
„Sie musste groß klingen, dramatisch klingen, ja, ich wollte unbedingt eine richtige Rockplatte aufnehmen“, sagt der 62-Jährige über “Hang Cool Teddy Bear”. “Und ja: Sie klingt wie ein Meat-Loaf-Album. Das auf jeden Fall, und doch klingt sie zugleich auch ganz anders: irgendwie neu, irgendwie unverbraucht, irgendwie fresh. Die Art und Weise, wie sie einen anspricht und unter die Haut geht, ist dieses Mal eine andere.”
Die Energie, die einen auf der neuen LP förmlich anspringt, lässt sich größtenteils darauf zurückführen, dass Meat Loaf einen neuen Produzenten gefunden hat: Rob Cavallo, der in der Vergangenheit bereits mit Green Day, My Chemical Romance, Paramore und Fleetwood Mac gearbeitet hat. Für Meat Loaf bedeutete es, dass er die Chance hatte, mit einem der größten Produzenten überhaupt ins Studio zu gehen. Und für Rob? Der hatte die seltene Ehre, mit einem Idol seiner Kindheit und einer echten Ikone des Rock zu arbeiten. Für beide Seiten also nicht die schlechteste Partie.
“Rob ist der größte Rockproduzent der Welt, weil er es schafft, sein Ego außen vor zu lassen; stattdessen weiß er genau, wie man einem Künstler auf der Suche nach der eigenen Stimme und dem eigenen Sound unter die Arme greifen muss, so dass die Resultate schließlich besser klingen als alles, was man sich erträumt hätte”, sagt Meat. “Ich war wie ein Angler, der den dicksten Fisch an Land ziehen will. Also wählte ich den richtigen Köder aus: Gleich beim ersten Song, den ich ihm vorspielte, hat er angebissen. Beim zweiten Stück gab es dann kein Entrinnen und kein Zurück mehr.”
Laut eigener Aussage stimmte die Chemie zwischen den beiden sofort, was dazu führte, dass sie die kreative Messlatte von Anfang ein gutes Stück höher legten: Meat Loaf hatte über vierzig Songideen im Gepäck, aus denen die beiden nach und nach jene 13 Songs schnitzten, die letztendlich auf “Hang Cool Teddy Bear” gelandet sind. Zu den Highlights davon gehören ganz klar das wilde und aufgebrachte “Living On The Outside” und die unfassbar lustige erste Single “Los Angeloser”.
Allerdings war da noch eine Person, die nötig war, um das Puzzle zu vervollständigen: Kilian Kerwin, seines Zeichens Drehbuchautor und Regisseur aus Los Angeles und ein alter Kumpel von Meat Loaf. Denn genau wie alle großen Alben von Meat Loaf, basiert auch “Hang Cool Teddy Bear” auf einem Konzept: Eine von Kerwins Kurzgeschichten hatte es dem Sänger so sehr angetan, dass er sie kurzerhand zum roten Faden der neuen Platte machte.
“Die Geschichte handelt von einem Soldaten”, setzt Meat Loaf an. “Er befindet sich an der Front und liegt im Dreck, das Gesicht auf den Boden gerichtet. Er kann sich kaum bewegen, aber dann hebt er den Kopf hoch und sieht, wie sich eine Blutlache unter ihm bildet, daher ist er fest davon überzeugt, dass er ziemlich bald sterben wird. Man sagt doch immer, dass das Leben rückwärts abläuft, wenn das letzte Stündlein geschlagen hat. Bei ihm ist es jedoch anders: Sein Leben spult sich vorwärts ab, er blickt in die Zukunft –, er sieht also unterschiedliche Möglichkeiten, wie sein weiteres Leben aussehen könnte. Mal sind es schöne Dinge, die er sieht, dann wieder sind es tragische Szenen. Die einzelnen Songs stehen für diese unterschiedlichen Szenarien, die er in seinem Kopf durchspielt. Dabei sind Ort und Zeitpunkt jeweils ganz unterschiedlich gewählt, nur eine Sache ist konstant: Es taucht immer wieder dieselbe Frau in seinen Visionen auf. Allerdings will ich an dieser Stelle auch nicht zu viel verraten; jeder soll für sich selbst sehen, wie die Geschichte weitergeht.”
Um seine eigene Vision in greifbare klangliche Resultate zu verwandeln, bat Meat Loaf eine Reihe hochkarätiger Musiker zu sich ins Studio, unter anderem die Gitarristen Tim Pierce, Justin Hawkins von The Darkness (der zudem zwei Songs als Co-Autor beisteuerte), Paul Crook und Randy Flowers, die legendären Bassisten Chris Chaney und Kasim Sulton, das Keyboard-Genie Jamie Mulhoberac sowie “den größten Rock-Schlagzeuger der Welt” (am besten einfach mal Rob Cavallo drauf ansprechen), John Micelli. Doch damit nicht genug, denn auf „Hang Cool Teddy Bear“ sind darüber hinaus auch diverse Stargäste zu hören: Unter anderem Steve Vai (auf dem Song “Love Is Not Real”), der einstige Queen-Gitarrist Brian May (auf “Song Of Madness” und “Love Is Not Real”), das „American Idol“-Jurymitglied Kara DioGuardi, die “If I Can’t Have You” mit Meat Loaf geschrieben hat und in diesem Fall auch das Mikrofon mit ihm teilt, sowie der Hollywood-Star Jack Black, der für “Like A Rose” mit ihm in der Gesangskabine stand.
Und dann gibt es noch einen Gastauftritt, mit dem wohl niemand gerechnet hätte: Hugh Laurie nämlich ist ebenfalls mit von der Partie, der britische Schauspieler, bekannt aus der BBC-Serie “Blackadder” sowie durch sein Hauptrolle in “Dr. House”. In letzterer TV-Show absolvierte Meat Loaf gerade einen kleineren Gastauftritt, als er Laurie kennen lernen und von ihm erfahren sollte, dass dieser nicht nur Schauspieler, sondern auch ein klassisch ausgebildeter Pianist ist. Lange Rede, kurzer Sinn: Meat Loaf musste Hugh einfach fragen, ob er nicht das Klavier für den Song “If I Can’t Have You” einspielen wollte.
“Zu Beginn der Aufnahmen war er wahnsinnig nervös”, erinnert sich Meat Loaf. “Es fühlte sich echt seltsam an zu sehen, wie jemand, der vor der Kamera dermaßen routiniert ist, im Studio plötzlich in Schweiß ausbricht und mit den Nerven total am Ende ist. Aber er hat’s dann doch perfekt hingekriegt. Er hat sogar schon gesagt, dass er mit uns auftreten würde, falls wir den Song mal bei ‘American Idol’ präsentieren sollten.”
“Was ich an Hugh, Jack und Kara am meisten schätze, ist folgendes: Manchmal lädt man Leute zu sich ins Studio ein, und dann kommen sie mit ihrem Manager und einem Bodyguard und einer großen Gefolgschaft – diverse Leute schleppen sie mit, und die Bude ist mit einem Mal gerammelt voll. Bei Hugh, Jack und Kara sieht es anders aus: Sie fahren einfach mit ihrem Wagen vor, ganz allein, ohne viel Klimbim, wie echte Menschen halt. Und ich liebe nun mal echte Menschen.”
Und doch muss man sagen, dass “Hang Cool Teddy Bear” trotz all der Gäste definitiv sein Album ist: Meat Loafs Album, sein schmutziges kleines Geheimnis; er hat das Sagen und alle Fäden in der Hand. Inzwischen gut vier Jahrzehnte im Geschäft, ist dieser Mann – wie auch seine Stimme – nämlich immer noch genauso groß und einzigartig und wichtig wie eh und je.
“Wie es mir gelingt, das Feuer am Brennen zu halten?”, fragt er abschließend. “Nun, ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Es brennt halt. Ich würde jede Wette eingehen, dass ich den Leuten fünf Pfund dafür anbieten könnte, wenn sie es schaffen, den ersten Song zu hören und nicht ‘Wow’ zu sagen; denn sie würden das Geld gleich beim ersten Ton vergessen und trotzdem ‘Wow’ rufen! Man kann gar nicht anders. Und das trifft auf sämtliche Songs zu. Dieses Album ist einfach der Hammer!”