VÖ Album “Mona”: 13.05.2011
Es gibt Dinge, die man in 100 Jahren nicht lernen kann. Rockstar zum Beispiel. Entweder hat man Sendungsbewusstsein und Aura – oder eben nicht. Nick Brown von Mona ist ein geborener Rockstar, so viel steht fest. Der Gitarrist und Sänger sieht aus wie der junge Joe Strummer, hat ein Faible für Kneipenschlägereien, trägt in geschlossenen Räumen Sonnenbrillen mit untertassengroßen Gläsern und sagt Sätze wie diesen hier: „Gefühle wie Unsicherheit und Angst sind mir vollkommen fremd. In meinem ganzen Leben war ich noch nicht ein einziges Mal nervös, ich weiß gar nicht, wie das gehen soll.“
Keine Frage: Brown hat das Zeug zum Prediger. Ein Typ, von dem man weiß, dass er Massen elektrisieren kann, noch bevor man ihn zum ersten Mal auf der Bühne gesehen hat. Das Wichtigste aber ist, dass seine Band Mona auch die entsprechenden Songs auf Lager hat. Das am 13. Mai erscheinende Album-Debüt der Band, „Mona“, enthält so viele potenzielle Hits, dass man im Prinzip die komplette Platte der Reihe nach auskoppeln könnte.
Entsprechend euphorisch sind die Reaktionen: In Rekordzeit landeten Mona mit nur zwei im UK veröffentlichten Vorab-Singles und dem üblichen Internet-Fame auf der Longlist der BBC für die „Sounds of 2011“, dem wichtigsten Trendbarometer der Branche. Zudem gewannen sie einen MTV-Award in der Kategorie „Brand New For 2011“. Hört man jene ersten Tracks, muss man sagen: Die Kollegen liegen richtig mit dieser Einschätzung. „Listen To Your Love“, „Trouble On The Way“ und „Teenager“ sind Stücke von weltumarmender Größe und Brillanz, wie sie nur wenige Leute schreiben können.
Dabei deutete zunächst nicht viel auf die künftige Laufbahn des kleinen Nick Brown und seiner Kollegen als Hitkomponisten hin. Geboren in Dayton, Ohio, wuchsen Brown und der Schlagzeuger Vince Guard in einem streng religiösen, provinziellen Umfeld auf. Kennen gelernt haben sich die beiden in der Musikgruppe der örtlichen Kirche. „Ich war auf der Suche nach einem Schlagzeuger“, erinnert sich Nick. „Rein persönlich verstanden wir uns am Anfang nicht so gut, zunächst ging es nur um die Musik. Richtige Freunde wurden wir erst später.“
Gemeinsamkeiten gab es genug: Die Familien der beiden Musiker sind bis heute engagierte Mitglieder der pfingstlich-charismatischen Gemeinde von Dayton, entsprechend religiös wurden Vince und Nick erzogen. Eine Biographie, die jedoch keiner der beiden als traumatisch empfindet. Im Gegenteil: In Kirche wie Familie musizierten Nick und Vince von Kindesbeinen an und erwarben so den Grundstock dessen, was sie heute mit Mona umsetzen. „Das Musizieren in der Kirche war die beste Schule für uns – ein wahres Rock‘n‘Roll Boot-Camp, auch wenn weltliche Musik keine große Rolle gespielt hat“, erinnert sich Nick.
So lernte Nick nicht nur zu singen und verschiedene Instrumente zu spielen, sondern auch die ein oder andere Primärtugend: „Die Kirche hat mich Menschenkenntnis und Demut gelehrt. Musik hat viel mit Glauben zu tun. Dem Glauben an die eigenen Fähigkeiten und Träume nämlich.“ Übrigens sind die Eltern der Musiker nicht etwa entsetzt über den weiteren Lebensweg ihrer Schützlinge im vermeintlichen Sündenbabel Rock‘n‘Roll, sondern ganz im Gegenteil sehr stolz.
Und weil seine Familie und die mit ihr verbundene Geschichte sehr wichtig ist für Nick Brown, benannte er seine Band kurzerhand nach seiner verstorbenen Großmutter, der Kirchenmusikerin Mona Brown. „Sie war eine tolle Frau“, bestätigt Nick, und verrät ein kleines Geheimnis: „Fast hätte ich die Band Roscoe genannt, nach dem Namen meines verstorbenen Großvaters. Er war Pastor, sein Spitzname war Brownie. Ein toller Typ, den alle respektiert und verehrt haben.“
Bereits in Dayton experimentieren Vince und Nick mit verschiedenen Besetzungen und arbeiten an ihrer musikalischen Vision. So richtig Fahrt nehmen Mona aber erst auf, als Nick Brown bei einem Kings-Of-Leon-Konzert deren Sänger Caleb Followill kennenlernt. Followill ist begeistert von den Demos des jungen Musikers und lädt ihn ein, nach Nashville zu kommen, um dort sein Unternehmen auf professionellere Füße zu stellen.
Eine Begegnung, aus der eine große Band-Freundschaft resultiert. Bis heute verbringt Nick Brown quasi seine komplette Freizeit mit Jared Followill. „Die Kings Of Leon haben uns am Anfang sehr geholfen“, erinnert er sich. „Es ist toll, Leute zu treffen, die einen ähnlichen Lebensstil und vergleichbare Träume haben wie man selbst.“ Dass die Parallelen zwischen beiden Bands über freundschaftliche und musikalische Aspekte hinausragen, erklärt sich eingedenk der ähnlichen religiösen Sozialisation von selbst.
Nun hat sich Nashville in den letzten Jahren ja zu einem prosperierenden Zentrum des amerikanischen Indie-Rock entwickelt. Mona sind jedoch, und das sollte an dieser Stelle unbedingt erwähnt werden, eine Band mit einer überaus starken eigenen Vision. Die Schützenhilfe der Kings Of Leon war anfangs sicher wichtig. Als Anhängsel der berühmten Freunde darf man sich Mona aber keineswegs vorstellen. Generell ist Nick Brown ein Mann, dem Szenen und die damit verbundenen Codes suspekt sind: „Wir waren in Nashville, bevor Jack White oder die Black Keys gekommen sind“, sagt er. „Viele kommen ja nur nach hierher, weil das jetzt als besonders cool gilt.“
Nachdem sie eine ganze Weile alle möglichen Musiker ausprobiert hatten, manifestierte sich Anfang 2010 die jetzige Mona-Besetzung: Zuerst stieß der Bassist Zach Lindsey zur Band. Wie Nick und Vince stammt auch Zach aus der Provinz, aus Bowling Green, Kentucky nämlich, wo er ebenfalls streng religiös erzogen wurde. Vervollständigt wurde das Line-up schließlich mit Zachs altem Jugendfreund Jordan Young (Gitarre).
Nachdem Mona lange eine Band in der Wartestellung gewesen waren, konnte es also endlich losgehen: „Wir haben jahrelang komponiert, an unserer Musik gearbeitet und endlos viele Besetzungen ausprobiert“, erinnert sich Nick. „Ich hatte von Anfang an ganz konkrete Vorstellungen, wie alles laufen sollte, weswegen wir es auch nie besonders eilig hatten. Wir warteten auf die richtige Besetzung, eine zu uns passende Plattenfirma, das richtige Management, einen guten Verleger – und nachdem wir das alles beisammen hatten, konnten wir Gas geben.“
- Sie haben es vielleicht gemerkt: Nick Brown ist nicht unbedingt ein Freund halbgarer Kompromisse. Bestes Beispiel: Als Mona endlich einen Plattenvertrag unterschrieben hatten, nahmen sie ihr erstes Album nicht etwa in einem hochgezüchteten Studio und mithilfe eines erfahrenen Produzenten auf, sondern: allein. In ihrem Keller. In Nashville. „Man sollte neugierig und ohne Angst an neue Dinge herangehen“, sagt Nick, „egal, ob man eine Fremdsprache lernen oder eine Platte aufnehmen will.“
Den Endmix des Albums gaben Mona dann aber doch in die Hände eines altgedienten Profis. Rich Costey (Muse, Franz Ferdinand, Nine Inch Nails) verlieh der Platte einen gewaltigen Wumms und die nötigen Hallräume, die die Mona-Musik zum Atmen braucht. So gelang eines der bemerkenswertesten Debüt-Alben der letzten Jahre. Eine Platte, die bisweilen an die Freunde von den Kings Of Leon oder auch an die frühen U2 erinnert: Eine ähnliche Vorstellung von Größe und Raum, eine überaus universelle Ansprache und vor allem ein Händchen für gewaltige Melodien prägen Songs wie „Cloak & Dagger“ oder „Lines In The Sand“.
Kombiniert wird dieser Ansatz bei Mona mit einem gewissen Shoegazer-Moment, wie wir ihn von britischen Bands wie Glasvegas kennen, sowie einer ausgewiesenen und deutlich hörbaren Vorliebe für den Rock‘n‘Roll der 50er-Jahre. Für die Musik jener Dekade also, in der die Kühlschränke so groß waren wie Einfamilienhäuser, die Autos Kreuzfahrtschiffen glichen und Amerikas Vorgärten sauber waren. Knutschen, Eiscreme, Autokino – eine versunkene Epoche, deren Ästhetik Mona auf ihrem Debüt wiederbeleben. „Wir schätzen das goldene amerikanische Zeitalter“, sagt Nick. Besonders gut hört man das der zweiten Single Listen To Your Love“ an, deren Melodie von Roy-Orbison-hafter Grandezza ist – laut Nick Brown ein optimaler Einstieg für Mona-Neulinge.
Fragt man den Sänger nach seinen sonstigen Einflüssen, so haben ihn weniger konkrete musikalische Beispiele geprägt als vielmehr die Haltung und Attitüde bestimmter Bands und Filme. „Zu sehen, wie die Typen in Tarantinos ‚Reservoir Dogs’ in identischen Anzügen über die Straße gehen! Oder die frühen Beatles, das hat mich fasziniert, das wollte ich auch haben. U2 zum Beispiel waren anfangs totale Punks. Man hat ihnen angesehen, dass sie die Welt erobern wollten – zusammen, als eine Gruppe von Freunden. So was kann man eigentlich nur als Band erreichen, nicht im Sport oder sonst irgendwo.“
Es ist die alte Geschichte, die wir immer wieder hören und lesen wollen: Die Band als uniforme Gang unzertrennlicher Freunde, die gemeinsam mit großartiger Musik die Welt erobert. Da dieses Konzept immer seltener adäquate Vertreter findet, brauchen wir Bands wie Mona heute mehr denn je. Und weil Mona nicht nur als Gang auftreten, sondern tatsächlich enge Freunde sind, ist auch ihre Musik von diesem engen Gemeinschaftsgefühl durchdrungen. Kreativer Kopf und von allen akzeptiertes Sprachrohr der Band ist aber ohne jeden Zweifel Nick Brown. Er definiert die Gestaltung von Artworks und Videos, ja den gesamten Auftritt der Band. Und natürlich schreibt er auch sämtliche Texte: „Ich bin einer von diesen Typen, die stundenlang am Flughafen sitzen und andere Leute beobachten können. Und diese Beobachtungen übertrage ich dann auf meine Songs.“
Wie es sich für diese Art von Musik gehört, sind die meisten Songs von Mona keine drei Minuten lang. Das ist eine gute, die richtige Länge für einen perfekten Rock-Song. Denn jenseits aller anderen Betrachtungen und Überlegungen sind Mona vor allem eins: Eine herausragende Rock‘n‘Roll-Band mit einem einmalig talentierten Sänger und einem überraschend reifen und tiefgängigen Debüt. „Das Album erscheint im Mai“, erklärt Nick. „Danach verpissen wir uns über Nacht nach Mexiko und verbringen den Rest unserer Tage am Strand. Vorher spielen wir allerdings noch eine Tour, wir nennen sie ,the end of the world tour’.“
Auch wenn man diesen Satz vielleicht nicht ganz ernst nehmen sollte: Hören Sie Mona hier und jetzt, Sie werden es nicht bereuen.