Nana Mouskouri | Biografie

Quand on s’aime …

Wenn man sich liebt …
 
„Das Erste, was ich hörte, war seine Stimme, wie ein gutes Omen … Ich wusste sofort, dass unsere Geschichte eine Geschichte von Stimmen und Gesang sein würde. Alles fing mit einem Telefonanruf an. Ich war damals eine junge Sängerin, die ihre Heimat Griechenland gerade zum ersten Mal verlassen hatte. Ich war sechsundzwanzig. An jenem Abend trat ich beim Festival of Mediterranean Song in Barcelona auf. Mr Hazan, der damalige Präsident des Philips-Konzerns, hatte gerade eine Vereinbarung mit Fidelity getroffen, meiner Plattenfirma in Griechenland, und plante, mir zu einer internationalen Karriere zu verhelfen, auch wenn ich selbst nicht genau wusste, was dies bedeutete … Er war zu der Zeit in Paris und hörte dort der Übertragung des Festivals zu. Als er erfuhr, dass ich gewonnen hatte, rief er mich sofort an, um mir zu gratulieren, und reichte den Hörer dann an zwei seiner Freunde weiter, die sich ebenfalls mit mir unterhalten wollten. Einer von ihnen war Amerikaner, Quincy Jones, der andere Franzose: Michel Legrand. Seit jenem Moment weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn einem sprichwörtlich der Boden unter den Füßen weggezogen wird – im positiven Sinne. Michel gratulierte mir überschwänglich zu meinem Auftritt und sagte, er würde in Paris auf mich warten, worauf Quincy begeistert hinzufügte: „Hey, wir sehen uns in New York, Baby.“ Ich bewunderte diese beiden Männer so sehr, dass ich mir niemals hätte träumen lassen, dass mich mein Weg eines Tages zu ihnen führen würde. Doch der Weg der Musik, die ich so sehr liebte, hatte mich ans andere Ende des Regenbogens geführt, wie Dorothy die Yellow Brick Road in Der Zauberer von Oz.
Wenige Monate später, 1961, wurde ich in Deutschland für Weiße Rosen aus Athen mit meiner ersten Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Im darauffolgenden Jahr flog ich in die Vereinigten Staaten, wo ich mit Quincy Jones mein erstes englischsprachiges Album aufnahm, The Girl From Greece Sings. Zurück in Frankreich begann für mich eine weitere steile Karriere, diesmal auf Französisch, und Michel Legrand hatte entscheidenden Anteil daran. Als Sänger, außergewöhnlicher Pianist und renommierter Komponist, der zahlreiche Instrumente beherrschte, verkörperte Michel die wahre Seele der Musik. Die ersten beiden Lieder, die ich für ihn sang, waren Les parapluies de Cherbourg und Sur les quais de Cherbourg (aus Die Regenschirme von Cherbourg). Später im selben Jahr, 1964, stellte er den Film in Cannes vor, wo er die Goldene Palme gewann. Les parapluies de Cherbourg öffnete zahlreiche Türen für mich und ich war stolz darauf, den Song in sechs Sprachen singen zu dürfen. Meine Stimme und Michels Kompositionen hatten einander gesucht und gefunden und sollten sich nie wieder trennen. Er arrangierte viele meiner Lieder mit subtilen Veränderungen neu, etwa Ses baisers me grisaient (neu adaptiert mit einem wundervollen Text von Boris Vian), L’enfant au tambour, Deux pour une chanson und Quatre Soleil, die Adaption eines griechischen Lieds.
Ein enger Freund von mir, der Songwriter Eddy Marnay, schloss sich uns kurze Zeit später an und komplettierte Michels Musik mit zarten Worten. Die Zusammenarbeit führte zu vier Duetten: Quand on s’aime, La musique des étoiles, Et si demain und Connais-tu? Michel war ein wahrer Mentor und anspruchsvoller Lehrer, von dem ich in Sachen Respekt und Emotionen viel gelernt habe. Ein großer Teil unseres gemeinsamen musikalischen Lebens findet sich auf der ersten CD dieses Albums Tribute.
Viel später, 1993, wurden Michel und ich durch die Filmmusik wiedervereint. Meine Eltern arbeiteten in einem Kino und ich sang schon als Kind begeistert die großen Filmsongs mit. Michel Legrand komponierte eine Fülle grandioser Filmmusik, für die er mit drei Oscars ausgezeichnet wurde. Wir kehrten gemeinsam ins Studio zurück und nahmen Hollywood auf, ein englischsprachiges Album mit großen Filmsongs, darunter Autumn Leaves, Over the Rainbow, How Do You Keep the Music Playing, The Summer Knows und The Windmills of Your Mind, insgesamt fünfzehn von Michel Legrand arrangierte Lieder, die auf der zweiten CD dieses Albums zu finden sind. Harry Belafonte sang zwei Duette mit uns ein, was sich beinahe symbolisch anfühlte, da ich mein Bühnendebüt in Nordamerika rund dreißig Jahre zuvor an Harrys Seite absolviert hatte. Wir feierten die Veröffentlichung des Albums mit einem Konzert mit dem National Symphony Orchestra im Kennedy Center in Washington, mit Michel am Klavier. Diese Duette zu singen war ein unvergessliches Erlebnis.
Michel Legrand wurde mit Musik im Blut geboren, mit Noten als Wurzeln, tief in den Gefühlen verankert. Er gehört für immer zu den Menschen, die mir beigebracht haben, eine wahre Sängerin zu sein und meine Leidenschaft zu leben, ohne dafür je meine Aufrichtigkeit zu opfern. Ich bin stolz und glücklich, diesen musikalischen Traum mit ihm geteilt zu haben und unseren Traum heute an Sie weitergeben zu können. Wo immer er auch sein mag, ich sende ihm meinen innigen Dank. Ich bin mir sicher, dass er die Sterne zum Singen bringt.
Nana
„Es war einmal ein Alchemist, der auf dem Weg zur Musik einer magischen Fee begegnete …“ Michel Legrand und Nana Mouskouri. Ihre Begegnung konnte nur etwas Magisches auslösen, und sie tat es in Form ihrer wundervollen Lieder. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ihre Lieder als Kind wahre Traumwelten für mich heraufbeschworen. „Man kann von Sonne zu Sonne fliegen, Tag und Nacht, wenn man sich liebt“, heißt es in ihrem Song Quand on s’aime – und ich bin geflogen. Eddy Marnays Worte flossen wie dem reinsten Quell entsprungen durch Michel Legrands intensive Melodien und schwebten auf der wunderbar weichen Stimme von Nana Mouskouri dahin. Jede einzelne Paarung aus Wort und Note war wie für Nana geschaffen, und ihre Lieder versprühen einen Hauch von Orient, voll seufzender Melancholie. „Ich bringe dich viel weiter als bis nach Hause“, lautet eine Zeile in Connais-tu? Nana, getragen von Michel Legrand, ging tatsächlich viel weiter als bis nach Hause. Sie reiste an musikalische Orte, von denen sie nie zu träumen gewagt hätte. Wenn wir heute diesen Liedern lauschen, reisen auch wir weiter und fangen die „Musik der Sterne“ ein. Das Album Tribute ist eine poetische Reise, ein geheimer Garten, in dem über fünfzig Jahre hinweg zwei unglaubliche musikalische Karrieren gewachsen sind. Es soll Ihnen, dem Zuhörer, helfen, sich zu erinnern und den Weg der beiden noch einmal mit ihnen zu gehen. Ob beim „Spaziergang im Regen, Tee am Nachmittag, Spazieren am Meer, Tanzen um die Welt, Schaukeln in der Luft“ – vergessen Sie eines niemals: „Wenn man sich liebt, kann man alles tun“.
David Lelait-Helo