Es ist nicht schwer zu verstehen, weshalb Nat King Cole in den USA noch heute, mehr als 50 Jahre nach seinem viel zu frühen Tod, so sehr geliebt und respektiert wird. Mit seiner seidenweichen Baritonstimme sang er sich in die Herzen aller Hörer ein, schwarzer ebenso wie weißer. Und mit spanisch- und portugiesischsprachigen Alben wie “Cole Español” und “A Mis Amigos” eroberte er auch die lateinamerikanische Klientel. “Ich glaube, Nat war jedermanns Lieblingssänger”, brachte es Aaron Neville einmal auf den Punkt. “Von Ray Charles über Sam Cooke bis hin zu Marvin Gaye – sie alle liebten ihn. Jeder wollte etwas von Nat King Cole singen.” Tatsächlich war Cole zusammen mit Louis Jordan – dem Mann, den sie den König der Jukeboxen nannten – und Louis Armstrong, ein Wegbereiter für Generationen von schwarzen Künstlern in den USA. “Er ließ sich nicht vom Mainstream korrumpieren”, schrieb das Time Magazine. “Er nutzte den Jazz, um ihn zu bereichern und zu erneuern, und hinterließ ein bleibendes Erbe. Ganz so wie ein König.” Ein absoluter Klassiker sind bis heute auch seine herzerwärmenden und unerreichten Interpretationen von Weihnachtsliedern, die dieses Jahr unter dem Titel “The Christmas Song” in einer erweiterten und neu gemasterten CD-Edition mit fünf Bonus-Tracks (darunter eine Duettversion des Titelstücks mit seiner Tochter Natalie Cole) erschienen sind.
Der 1919 in Montgomery/Alabama geborene Nathaniel Adams Cole zog als Fünfjähriger mit seiner Familie nach Chicago. Bereits als Kind sang er im Chor der Kirche mit, in der sein Vater Prediger war. Und durch seine Mutter, eine leidenschaftliche Amateurpianistin, fand er auch früh Zugang zum Klavierspielen. Schnell stellte sich heraus, dass er ein absolutes Gehör besaß und es scheinbar mühelos schaffte, einmal gehörte Melodien auf dem Klavier nachzuspielen. Es dauerte nicht lange, bis der junge Nat mit seinem zehn Jahre älteren Bruder Eddie, einem Bassisten, eine Band gründete (zwei weitere Brüder – Ike und Freddy – machten ebenfalls Karriere als Jazzpianisten).
Als Mitglied von Eddie Cole & His Solid Swingers spielte der erst 17-jährige Nat, hörbar beeinflusst von Earl Hines, 1936 erste Aufnahmen für Decca ein. Danach erhielt er einen Job als Pianist in der schwarzen Broadway-Revue “Shuffle Along”, mit der er auf eine Tournee durch die USA ging. In Los Angeles löste sich das Ensemble auf. Statt nach Chicago zurückzukehren, entschloss sich Cole in Los Angeles zu bleiben und formierte dort ein neues Quartett. Als ihm ein festes Engagement in einem kleinen Club angeboten wurde, auf dessen Bühne kein Platz für ein Schlagzeug war, wurde aus der Not heraus das schlagzeuglose Nat King Cole Trio geboren, mit dem er in den frühen 1940ern erste Hits wie “Sweet Lorraine”, “That Ain’t Right” und “All For You” landete. Der nationale Durchbruch gelang ihm 1944 mit “Straighten Up and Fly Right” für das neue Label Capitol Records, bei dem er sich sofort als eines der Zugpferde etablieren konnte. Im selben Jahr nahm er zudem am ersten von Norman Granz organisierten Jazz At The Philharmonic-Konzert teil. Schon bald war Nat King Coles Name aus den Billboard-Charts nicht mehr wegzudenken.
In den fünfziger und sechziger Jahren nahm Cole wie sein Label-Kollege Frank Sinatra, den er zeitweise an Popularität noch übertraf, Alben mit Orchestern, Streichern und Top-Arrangeuren wie Nelson Riddle und Gordon Jenkins auf. Als erster Schwarzer erhielt er eigene Radio- und Fernsehsendungen, die seinen Bekanntheitsgrad noch steigerten, und trat gelegentlich in Filmen auf. Als Nat King Cole 1965 mit nur 45 Jahren an Lungenkrebs starb, hinterließ er der Jazz- und Popwelt ein Œuvre, das noch heute Künstler der unterschiedlichsten Genres inspiriert. Besonders anrührende Hommagen gelangen im Laufe der Jahre Nats Tochter Natalie Cole (“Unforgettable… With Love”, 1991), dem Gitarristen und Crooner George Benson (“Inspiration: A Tribute To Nat King Cole”, 2013) sowie dem Sänger Gregory Porter (“Nat King Cole & Me”, 2017).
“Ein Lied zu singen, ist wie eine Geschichte zu erzählen”, hatte Nat King Cole einmal gesagt. “Also wähle ich Songs aus, in die ich mich wirklich hineinversetzen kann.” Nicht anders erging es offenbar auch stets dem Publikum, das seine Interpretationen über alle Maßen liebte. Aber darüber sollte man trotzdem nie vergessen, dass Nat King Cole auch ein wirklich großartiger Jazzpianist war, der mit seinem leichten, swingenden Anschlag u.a. Oscar Peterson und Bill Evans als Vorbild diente.
Stand November 2018