Sex. Liebe. Kontrollverlust. Eitelkeiten.
Lippenstift. Lügen. Tränen. Tragödie.
Zwei Handlungsverläufe, die eigentlich keine großen Fragen aufwerfen dürften.
Oder vielleicht doch: Um das zu erfahren, muss man bloß die Zuschauer der ersten Staffel von „Love, Kills xx“ befragen, Natalia Kills’ in Eigenregie produzierter Serie von Webisodes, einer surrealen Mischung aus visuellen Traumsequenzen, lose eingestreuten Songfragmenten und den poetischen Bild- und Worthäppchen dieser modernen Femme fatale, die selbst einem Quentin Tarantino die Sprache verschlagen dürfte. „Es gibt Mädchen, die unbedingt Prinzessinnen sein wollen, wenn sie groß sind“, erklärt Natalia. „Ich hingegen wollte schon immer Teil einer richtig fiesen Girl-Gang sein.“
Außerdem träumte sie schon als kleines Mädchen davon, ein Popstar zu sein, genauer gesagt eine Künstlerin in der altehrwürdigen und unbedingt düsteren Tradition von Leuten wie Kate Bush und Depeche Mode. Auf der Suche nach dem perfekten Mittelweg ging die im ruppigen Bradford in West Yorkshire aufgewachsene Natalia schon mit 14 von der Schule ab und zog ganz allein nach London, um dort ihre Träume zu verwirklichen. Der Plan lautete, ihre kreative Ader gänzlich anzustechen und ihre Gefühle in Songs und Filmen zum Ausdruck bringen. Was auch bestens klappte: Vier Jahre lang sammelte sie bei der BBC zur besten Sendezeit Erfahrungen vor der Kamera, war im Radio zu hören, und steuerte nebenbei diverse Songs zu Filmsoundtracks bei, um dann ihre eigentliche Mission anzutreten: Sie wollte ihre drei Leidenschaften – die Musik, die Schauspielerei und das Rampenlicht ganz allgemein – endlich zu einer Einheit verschmelzen.
Ihre ersten Versuche als Songwriterin transformierte sie schon bald in denjenigen schwergewichtig-düsteren Popsound, den sie mit „Perfectionist“ nun erstmals auf Albumlänge präsentiert: Mal sind es sich fast schon hinterhältig anschleichende Klaviermelodien und peitschenharte Breaks – so bei „Zombie“, der ersten Street-Single –, dann wieder himmlische Harmonien und der an Eurythmics erinnernde Electro-Pop-Rausch eines Stücks wie „Mirrors“.
„Die Art und Weise, wie Musik beim Film eingesetzt wird, hat meinen ganzen Ansatz als Musikerin extrem beeinflusst. Ich finde es großartig, wie damit Spannung und Dramatik kreiert werden“, berichtet Natalia. „Wenn du einen Film ohne Ton anschaust, hast du keine Ahnung, in welchem Moment der Mörder auf den Plan treten wird, und ohne die dadurch verursachte Spannung können auch keine Angstgefühle oder andere Emotionen transportiert werden. Doch wenn die Musik die Bilder untermalt, kommen diese Emotionen automatisch hoch. Dieser Effekt inspiriert mich – ich will erreichen, dass meine Musik die Leute vollkommen in ihren Bann zieht.“
Während die „Love, Kills xx“-Webisodes fast schon wie ein mentaler Backstage-Pass funktionieren und tiefe Einblicke in den kreativen Geist von Natalia gewähren, hat die umtriebige Musikerin und Schauspielerin es sich nicht nehmen lassen, gleich noch einen weiteren Film als Bonus zu ihrem Debütalbum „Perfectionist“ zu realisieren. Der Streifen, bei dem Natalia und ihr französischer Co-Produzent von „Love, Kills xx“ wieder einmal gemeinsam die Regie übernommen haben (Guillaume Doubet), ist schon darum die perfekte Ergänzung zum Longplayer, weil sich genau genommen auch die Liste der Albumproduzenten wie ein epischer Vorspann zu einem hochkarätig besetzten Technicolor-Blockbuster liest: mit von der Partie sind Fernando Garibay (U2, Snoop Dogg, Britney Spears), Jeff Bhasker (Kanye West, Jay-Z, Alicia Keys), Ron „Neffu“ Feemster (Dr. Dre, Michael Jackson), Akon sowie Martin „Cherry Cherry Boom Boom“ Kierszenbaum, Labelchef von Cherrytree, der nach seiner Arbeit für t.A.T.u., Frankmusik und Far East Movement auch schon mit Lady Gaga im Studio war. Doch so eindrucksvoll diese Auflistung auch klingt, war es letzten Endes doch Natalia, die für „Perfectionist“ ganz klar die Richtung vorgegeben und dem Longplayer ihren unverwechselbaren Stempel aufgedrückt hat. „Gute Produzenten erkennt man daran, dass sie alles aus einem Künstler herausholen können“, meint die 24-Jährige. „Sie zwängen dich nicht einfach in irgendein Korsett oder stülpen dir ihren Sound über. Stattdessen helfen sie dir dabei, deinen eigenen Sound aus dir herauszuholen. Die Arbeit an diesem Album war definitiv kreatives Teamwork.“
Auch will.i.am hat sich sofort darum bemüht, Natalias Vertrag mit Cherrytree Records in einen Joint-Venture-Deal mit seinem eigenen Label umzumünzen: Er konnte Natalia Kills’ unglaublichem Talent als Performerin, Songschreiberin und Regisseurin einfach nicht widerstehen, weil sie stets genau weiß, was sie will – ganz gleich, ob sie nun eine Szene mit versteinertem Gesicht für „Love, Kills xx“ spielt oder knallharte Ansagen darüber macht, was es bedeutet, sich mit Leib und Seele seiner Kunst hinzugeben: „Ich stehe voll auf die Musik, die man früher im Radio hören konnte: diese ehrlichen, ausdrucksvollen und einfach nur wilden Songs von damals“, sagt Natalia. „Da ging es nicht bloß um ‘I love you, Baby’ oder ‘Let’s party all night’, denn ich denke dabei eher an Stücke wie ‘Love Kills’ von Queen, an Zeilen wie ‘…drills you through the heart… scars you from the start’ – an Songs, die unter die Haut gehen. Zu der Zeit brachten die Künstler in der Musik noch ihre Gefühle auf den Punkt und präsentierten einfach mal ihre Sicht der Dinge. Für mich gehört es einfach dazu, dass man sich auch mal was traut und sich aus dem Fenster lehnt, wenn man Songs schreibt; denn wenn man diesen Mut nicht in seiner Musik zeigt, wo soll man ihn dann zeigen?“