Die Verquickung von Kunst und Ideologie bringt in der Regel keine guten Resultate hervor. Denn während erstere von der Ambiguität lebt, erfordert letztere das genaue Gegenteil davon: Eindeutigkeit. Nina Simone bildete in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Die Göttin aus North Carolina war eine Art Martin Luther King der Musik, die für die Causa der Bürgerrechte der Schwarzen am Klavier eintrat. Nicht zuletzt deswegen hat Simone, die eine der letzten ganz großen Jazzdiven war und auch als “Hohenpriesterin des Soul” bezeichnet wurde, bis heute nichts von ihrer Faszinationskraft eingebüßt.
Die am 21. Februar 1933 in Tryon/North Carolina als Eunice Kathleen Waymon zur Welt gekommene Nina Simone begann im Alter von vier Jahren Klavier zu spielen. Dank der Unterstützung eines Lehrers erhielt die aus ärmlichsten Verhältnissen stammende angehende Künstlerin 1950 ein Stipendium für ihr Musikstudium an der renommierten Juilliard School of Music in New York. Ihr eigentliches Ziel, klassische Pianistin zu werden, musste sie allerdings schon bald aufgeben. “Denn ich war arm und schwarz”, erzählte sie einst. “Also hatte ich keine andere Alternative, ich musste meinen Lebensunterhalt mit Auftritten in Nachtclubs bestreiten.”
Ihre ersten Aufnahmen machte sie 1957 für das Label Bethlehem Records mit dem Bassisten Jimmy Bond und Schlagzeuger Al “Tootie” Heath. Ihren ersten großen Hit hatte sie 1958 mit ihrer Version von Gershwins “I Loves You, Porgy”. Die Single verkaufte sich über eine Million Mal und plazierte sich in den Top 20 der Rhythm’n’Blues-Charts. Nina Simone selbst hatte von diesem und einigen späteren Erfolgen freilich wenig, da sie in ihren Anfangsjahren mehrfach von Managern und Agenten ihrer Plattenfirmen übervorteilt wurde.
Das änderte sich 1963, als sie zum Label Philips Records wechselte, für das sie in den folgenden drei Jahren sieben Alben aufnahm, die allesamt Meilensteine wurden: “Nina Simone In Concert”, “Broadway-Blues-Ballads”, “I Put A Spell On You”, “Pastel Blues”,"Let It All Out", “Wild Is The Wind” und “High Priestess Of Soul”. In den 1960er Jahren hatte sie einige ihrer größten Hits: “My Baby Just Cares For Me”, “The House Of The Rising Sun”, “Don’t Let Be Misunderstood”, “I Put A Spell On You” und “One Night Stand”. Parallel nahm die stets kämpferische Künstlerin, die die Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King und Malcolm X aktiv unterstützte, aber auch politischen Songs wie “Mississippi Goddam!”, “To Be Young, Gifted and Black”, “Old Jim Crow” und “Why? The King Of Love Is Dead” auf.
1974 kehrte sie den USA verbittert den Rücken (“Wie könnte ich, eine Schwarze, in den USA glücklich sein?”) und wanderte aus. Die folgenden Jahre wurden zu einer wahren Odyssee, die sie um den halben Globus führte. So lebte sie zeitweise in Trinidad, Barbados, Liberia, der Schweiz, Frankreich, Belgien, England und Holland. Als sie 1978 für ein Konzert in die USA zurückkehrte, wurde sie wegen Steuerhinterziehung prompt festgenommen. Simone hatte nämlich in den frühen 70er Jahren, um gegen den Vietnam-Krieg zu protestieren, ihre Steuern einfach nicht entrichtet.
Eine Renaissance erlebte Nina Simone, die sich 1993 dann endgültig in der Nähe von Marseille niederließ, ab 1987, als ihr 30 Jahre alter Hit “My Baby Just Cares For You” für einen Chanel-Parfüm-Werbespot benutzt wurde und daraufhin u.a. in die Top 5 der britischen Charts einzog. Für Begeisterung sorgten 2002 noch einmal zwei Remixe von “Feelin’ Good” und “See-Line Woman”, die auf der allseits gelobten Compilation “Verve Remixed” erschienen. Als dieses Album herauskam, hatte sich Nina Simone krankheitsbedingt schon von der Bühne verabschiedet. Am 21. April 2003 ist sie, ganz im Gegensatz zu ihrem bewegten Leben, friedlich im Schlaf verstorben.
Ninas musikalischer Einfluss reicht aber noch weit über ihren Tod hinaus.Ihre Songs wurden im Laufe der Jahrzehnte von so unterschiedlichen Künstlern wie David Bowie (“Wild Is The Wind”), Jeff Buckley (“Be My Husband”), Feist und Ollabelle (“See-Line Woman”) und Mary J. Blige ( “Feeling Good”) gecovert oder gesamplet. Meshell Ndegeocello widmet ihr 2012 gleich ein ganz Album (“Pour Une Âme Souveraine: A Dedication To Nina Simone”). 2014 zollten ihr internationale Stars wie Gregory Porter, Melody Gardot, Keziah Jones, Sophie Hunger und Ben l’Oncle Soul auf dem Album “Round Nina: A Tribute To Nina Simone” Respekt. Das 2016 in die Kinos gekommene Biopic “Nina” löste hingegen heftige Kontroversen aus, nicht zuletzt weil die Hauptrolle mit der “zu hellhäutigen” Zoe Saldana besetzt wurde und faktisch so einiges nicht stimmte.