„Wir wollten etwas Einzigartiges auf die Beine stellen, das eine Herausforderung für uns darstellt. Dieser Prozess war sehr interessant, denn man erschafft etwas im gleichen Moment, in dem man es aufführt. Das haben wir noch nie zuvor getan. Diese Gleichzeitigkeit des Aufführens und Erschaffens war für uns ganz neu.“ Brian Molko
Im Vorfeld des 20-jährigen Bandjubiläums sei es Placebo gestattet, sich zurückzulehnen und Bilanz zu ziehen. Mit sieben Studioalben (von denen es fünf bis ganz oben in die deutschen Albumcharts schafften), über 12 Millionen verkauften Tonträgern und teils über eineinhalb Jahre währenden Welttourneen, auf denen ihnen mehrere Millionen Menschen zusahen, was kann da noch kommen?
Die Antwort liegt auf der Hand: sich wieder einmal neu zu erfinden und als Teil dieses Erneuerungsprozesses beim Kultformat MTV Unplugged aufzutreten. Als Placebo zum eigens für sie geschaffenen MTV Unplugged Special eingeladen wurden, war es ihnen nicht genug, „wie bisher einfach am Klavier zu sitzen und die Songs auf ihre Basis herunterzubrechen‚“ erinnert sich Molko. Und Olsdal ergänzt: „Als klar war, dass wir dieses Konzert spielen würden, haben wir uns quasi auf eine Mission begeben, diesen Beitrag zur Geschichte von MTV Unplugged für uns genauso interessant zu gestalten wie für die Zuschauer“.
Szenenwechsel. The London Studios im Herzen der Stadt, in der Placebo ihr allererstes Konzert gaben. Monochromes weißes Licht taucht den gesamten Club in horizontale und diagonale Raster, die schwerelos über den Köpfen der Zuschauer schweben. Das Konzert beginnt, zunächst nur mit Molko, einer akustischen Gitarre und der ersten von vielen instrumentalen Überraschungen: ein farbiger Schlauch, der – verändert man seine Form – unterschiedliche transzendentale Töne hervorbringt, die den Auftritt der Band weiter bereichern. Aber nicht nur der Sound ist anders – die Band sieht auch anders aus. Fast wie eine Pepper‘s Ghost-Illusion erscheinen sie ganz in Licht getaucht – ein spektakulärer visueller Effekt, der die radikale Neubearbeitung der Musik noch unterstreicht. „Die größte Herausforderung bestand für uns darin, diese Stücke neu zu erschaffen – und zwar auf eine ganz neue, reizvolle Art und Weise“, sagt Molko. „Denn letztlich wollten auch wir überrascht werden.“
Dies gelingt Placebo mit der ihnen eigenen Experimentierfreude und ihrem künstlerischen Weitblick, der staunen lässt. Im einen Moment rockt die Band aus vollem Herzen, nur um – wie etwa im Megahit „For What It’s Worth“ – urplötzlich zu unterbrechen und dem Streicher-Ensemble ein fein ziseliertes, kunstvoll arrangiertes Solo einzuräumen. Bei anderen, altbekannten Songs schleichen sich in die geschmackvollen neuen Arrangements plötzlich eigenartige Trommeln ein: arabische oder indische Instrumente, die dem ohnehin voluminösen Gesamtklang feine Ecken und Kanten geben und auch dem visuellen Erlebnis eine gänzlich neue Dimension verleihen. „Wir haben uns mehrere Monate darauf vorbereitet“, erinnert sich Molko. „In dieser Zeit haben wir immer wieder an den Stücken herumgebastelt, denn damit haben wir für uns komplettes Neuland betreten und unsere ‚Comfort Zone‘ verlassen.“ Das Publikum jedoch fühlte sich im warmen, fesselnden Ergebnis angenehm aufgehoben.
Zusammen mit dem neuen Schlagzeuger Matt Lunn und einem Dutzend anderer Gastmusiker sind Placebo beileibe nicht auf Nummer sicher gegangen. Stattdessen überarbeiteten sie Songs wie „Bosco“, die sie noch nie zuvor live gespielt hatten – in welcher Form auch immer. Molko fasst es so zusammen: „Durch MTV Unplugged bot sich uns die Möglichkeit, die akustische und eher experimentelle Seite unserer Musik genauer zu erforschen und einige Stücke zu spielen, die wir so noch nie auf die Bühne gebracht hatten.“
TRACKLIST
JACKIE
FOR WHAT IT’S WORTH
36 DEGREES
BECAUSE I WANT YOU
EVERY YOU EVERY ME (FEAT. MAJKE VOSS ROMME AKA BROKEN TWIN)
SONG TO SAY GOODBYE
MEDS
PROTECT ME FROM WHAT I WANT (FEAT. JOAN AS POLICE WOMAN)
LOUD LIKE LOVE
TOO MANY FRIENDS
POST BLUE
SLAVE TO THE WAGE
WITHOUT YOU I’M NOTHING
HOLD ON TO ME
BOSCO
WHERE IS MY MIND?
THE BITTER END