Die meisten Leute wissen zwar, dass Portishead aus Bristol stammen, doch dass das Trio sich den eigenen Bandnamen ursprünglich bei einer gleichnamigen Kleinstadt im Umland entliehen hat, das wissen nur die wenigsten. 1991 gegründet, weil der Produzent und Multiinstrumentalist Geoff Barrow laut eigener Aussage „interessante Musik“ machen wollte, „die für immer einen Platz in den Plattensammlungen der Leute sicher hat“, sollte ihr „Dummy“-Debütalbum aus dem Jahr 1994 nicht nur die Musikwelt revolutionieren, sondern genau diese Absicht verwirklichen: Begriffe wie „TripHop“ und „Downtempo Electronica“ machten plötzlich die Runde, Einschläge von psychedelischer Musik trafen auf Jazz-Versatzstücke und elektronische Klänge und verschmolzen mit der tieftraurigen Stimme von Sängerin Beth Gibbons zu einem gefühl- und nicht selten schmerzvollen Ganzen. Seither hat dieser „Dummy“ bei ganz unterschiedlichen Musikliebhabern einen Platz im Regal sicher.
17 Jahre sind vergangen, seit Gibbons gemeinsam mit Barrow und Adrian Utley das Projekt ins Leben rief. Damals hatten sie zunächst nur einen Kurzfilm namens „To Kill A Dead Man“ inklusive Soundtrack geplant, als ihnen ein Plattenvertrag von Go! Beat Records angeboten wurde – und seither gelten sie als der Inbegriff des „TripHop“; eine dubiose Namensschöpfung übrigens, die Portishead (und viele andere Menschen) stets abgelehnt haben.
„Numb“ lautete der Titel der ersten Singleauskopplung von „Dummy“, und „benommen“ (nicht „gefühllos“) waren schließlich auch viele Fans: benommen von den düster-schleppenden und betörenden Arrangements und zugleich begeistert von dem neuen Sound. Trotz einer strikten Absage an die Presse war das Album nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten ein Riesenerfolg: 150.000 Alben waren jenseits des Atlantik bereits verkauft, als Gibbons & Co. ihre erste Tour in den USA antraten. Neben den beiden Hitsingles „Glory Box“ und „Sour Times“, bescherte „Dummy“ der Band noch eine weitere Ehre: Sie gewannen 1995 einen der renommierten Mercury-Preise. Zeitgleich wählten deutsche Presseorgane wie die Spex und die Visions das Debüt der Band auf den sechsten Platz der Jahrescharts beziehungsweise auf Platz 2 der „wichtigsten Alben der Neunziger“. Dem internationalen Siegeszug schien nichts im Wege zu stehen.
Nach diesen ersten Erfolgen zogen sich Portishead jedoch für drei Jahre zurück, um im Stillen am zweiten Album zu arbeiten: „Portishead“ aus dem Jahr 1997 ging aus diesen Sessions hervor. Der wohl wichtigste Unterschied zum Vorgänger war, dass das Trio in diesem Fall vielfach selbst die Instrumente einspielte und diese Aufnahmen dann als Sample-Material verwendete. Das Resultat war ein deutlich harscherer Sound, den die Fans aber keineswegs weniger aufregend fanden: So landete die Single „All Mine“ erneut in den britischen Top−10, und auch dieses Album gilt als Meilenstein der neunziger Jahre.
Nachdem Portishead eine bahnbrechende Live-Show mit den New Yorker Philharmonikern gespielt hatten, erschien schon im Folgejahr ihr Live-Album „Roseland NYC Live“. Danach wurde es zunehmend ruhiger um das Trio, und die drei Mitglieder konzentrierten sich mehr und mehr auf andere Projekte: Barrow ging ins Remix-Geschäft (u.a. Gravediggaz, Paul Weller, Primal Scream) und veröffentlichte auf seinem Invada-Label Bands wie Amusement Parks on Fire; Sängerin Gibbons veröffentlichte das von Kritikern und Publikum gleichermaßen gefeierte „Out of Season“-Album mit Rustin Man (Paul Webb) im Jahr 2002. Neue Musik von Portishead gab es vorerst nicht.
Erst im Februar 2005 stand die Band nach einer siebenjährigen Pause wieder gemeinsam auf der Bühne; für ein Benefizkonzert in Bristol, das für die Opfer der Tsunami-Katastrophe veranstaltet wurde. Schon damals, vor drei Jahren also, machte Barrow erste Andeutungen bezüglich eines dritten Studioalbums. Im August 2006 tauchte dann endlich neues Material auf: Allerdings waren es nur zwei Demo-Songs, die sie auf ihrer MySpace-Seite veröffentlichten. Die Coverversion von Gainsbourgs „Un Jour Comme un Autre (Requiem for Anna)“, die auf dem Album „Monsieur Gainsbourg Revisited“ enthalten war, ließ schließlich hoffen, dass tatsächlich weitere Aufnahmen folgen würden.
Womit wir bei „Third“, dem dritten offiziellen Album von Portishead, wären. Es ist das dritte Album in einer insgesamt 17-jährigen Bandgeschichte. Schon im Oktober letzten Jahres verkündete die noch immer in der alten Besetzung existierende Band, dass das Album im April 2008 erscheinen würde. Fünf der insgesamt elf Stücke präsentierten sie beim All Tomorrow’s Parties-Festival im vergangenen Dezember in Minehead. Das Publikum war aus dem Häuschen. Während die Titel der einzelnen Songs nach wie vor geheim sind, steht jedoch bereits fest, dass „Third“ insgesamt 49 Minuten und 13 Sekunden lang sein wird. Nie zuvor haben vier Ziffern so viel Lust auf mehr Informationen gemacht.