“Get ready for this girl to explode”, schrieb das Nylon Magazine über Ryn Weaver, deren Songs in den letzten Monaten auch bereits von The Fader, dem New York Magazine und TIME abgefeiert wurden: Die erste Single “OctaHate” aus dem dieses Jahr erscheinenden Debütalbum “The Fool” verzeichnet inzwischen über 6 Millionen Streams bei Spotify. Kurz bevor Ryn Weaver die Arbeit an ihrem Debütalbum begann, entdeckte sie zufällig eine Tarot-Karte mit dem Narren drauf, im Englischen “The Fool”.
Darauf zu sehen war der Harlekin, wie er bester Dinge und voller Optimismus geradewegs auf einen Abgrund zusteuerte. Und als die 22-Jährige, die in Kalifornien aufgewachsen ist und inzwischen in New York City lebt, dann also diejenigen Songs schrieb, die auf ihrem Debütalbum versammelt sind, fasste sie schon bald den Entschluss, die Essenz dieses Bildes darauf einzufangen und in ihren verträumten Texten die Geschichte ihrer eigenen Streifzüge und Fehltritte zu erzählen.
“Ein Großteil meines Albums handelt vom Weglaufen und davon, sich nicht auf einen Ort festlegen zu können”, berichtet Weaver. “Es verhandelt also die guten und die schlechten Seiten, die es hat, seinen eigenen Weg zu gehen.” Unterstützt von ihren beiden Produzenten Benny Blanco, verantwortlich für diverse Hits von Rihanna, Ed Sheeran, Maroon 5 & Co., und Michael Angelakos, dem Frontmann von Passion Pit, legte Weaver schon 2014 mit “OctaHate” einen ersten Vorgeschmack vor – und landete damit letzten Juni postwendend auf Platz 1 der Billboard-Emerging-Artists-Charts.
Auch bei Stereogum, The Fader und im New York Magazine wurde ihre Debütsingle gefeiert: Letztere bezeichneten den Song als “etwas vollkommen Neues, das nicht von dieser Welt zu stammen scheint, wobei er zugleich absolut vertraut und unglaublich warm klingt”. Schon nach einer Woche verzeichnete “OctaHate” über eine Million Plays bei Soundcloud – inzwischen sind es über 6 Millionen bei Spotify –, so dass Weavers Name zum Jahreswechsel in der “15 Musical Artists To Watch in 2015”- und der “25 Artists You Need To Start Listening To In 2015”-Liste vom TIME Magazine bzw. der Huffington Post auftauchte.
Auch David Letterman klopfte bei ihr an und holte sie für ihren ersten großen TV-Auftritt in seine “Late Show”… Genau genommen nahm ihr “The Fool”-Album erste Konturen an, als sie den epischen Electro-Pop-Track “OctaHate” schrieb, dessen Titel übrigens so viel bedeutet wie “Hass hoch acht”: “Ja, man könnte”OctaHate" schon als Trennungssong bezeichnen, wobei es vielmehr darum geht, jemanden zu verlassen, der einfach kein guter Einfluss war für einen selbst", so Weaver. “Danach habe ich diesen Faden weiterverfolgt, und zusammen genommen erzählen die Songs von meiner Entwicklung, von der Reise also, auf der ich mich befinde.”
Ein Hauptanliegen war es dabei für sie, ein neues Bild davon zu zeichnen, “was es bedeutet, in der heutigen Zeit eine Frau zu sein.” “Normalerweise wird den Frauen nämlich beigebracht, dass sie sich möglichst früh häuslich niederlassen sollen, nur ist das eine Sache, die für mich einfach keinen Sinn ergibt. Das ganze Album dreht sich daher um das Thema”vielleicht bin ich ein Narr, dass ich auf diese Stabilität verzichte – oder vielleicht wär"s umgekehrt gerade närrisch und falsch, sich an diesem Punkt schon irgendwo niederzulassen." Eine definitive Antwort darauf gibt"s natürlich nicht."
Musikalisch hält sie sich auf “The Fool” bewusst an keine Regeln, flirtet mal mit Synthie-Pop und im nächsten Moment schon wieder mit düsterem Folk: “Ich bin nun mal in erster Linie eine Geschichtenerzählerin. Was auch bedeutet, dass ich mir die jeweils geeignete Instrumentierung und den richtigen Sound aussuchen muss, über dem ich meine Geschichte am besten präsentieren kann”, so Weaver. “Ich mag es, mich bei ganz unterschiedlichen Dingen zu bedienen, was die Melodien, den Groove und den ganzen Sound angeht. Und dann verbinde ich alles so miteinander, das die Stimmung einfach passt für meinen Song.”
Im Fall des Titelstücks “The Fool” sind es flirrende Synthesizer-Riffs, über denen Weaver jenes schmerzvolle Bedauern zum Ausdruck bringt, das ein Wunsch nach absoluter Unabhängigkeit häufig mit sich bringt (Zitat: “I tend to stack the deck with wild cards/You”re betting all you"ve got on a broken heart"). “Pierre” hingegen vereint epische Arrangements mit druckvollen Beats und fast schon opernhaftem Gesang, wenn sie ganz ungeniert von einer Romanze am Unabhängigkeitstag berichtet: “On the Fourth of July I met a man Pierre/Lied about his age, but I didn”t care/Spoke in broken English but the heart was there" – der unwiderstehliche Charme der Franzosen eben…
Ihr “Traveling Song” hingegen klingt zwar nach Folk, aber wenn sie im Text sogar die Apollo−13-Mission und Schildkrötensuppe unter einen Hut bringt, steht fest, dass sich Blauäugigkeit und Scharfsicht bei Ryn Weaver keinesfalls ausschließen: “Nobody knows where they are going/Oh, how we try to wrap our minds/Over the edge of all our knowings/Be it a bang of the divine”. Im sonnigen San Diego mit einer Überdosis Bowie, Beach Boys und B−52s aufgewachsen, begann Weaver schon als Kind damit, erste Songs zu schreiben. “Ich schreibe schon mein ganzes Leben, wobei ich als Kind größtenteils Gedichte verfasst habe”, berichtet sie.
“Und ich habe es schon immer geliebt zu singen: Ich war so ein kleines Mädchen, das durchs Haus rennt und sich die ganze Zeit irgendwelche Lieder ausdenkt. Als ich dann etwas älter war, habe ich meine Mutter andauernd dazu überredet, mit mir in irgendwelche Karaoke-Bars zu gehen und die Leute dort davon zu überzeugen, dass ich auf die Bühne gehen darf – obwohl ich ja immer noch ein kleines Mädchen war.” Während ihrer Highschool-Zeit sang Weaver dann in Bands und schrieb eigene Songs; nebenher malte und zeichnete sie viel und befasste sich außerdem mit Kabuki-Theater.
Fürs College zog sie schließlich nach Manhattan, wo sie an einem Halloween-Abend zufällig Benny Blanco kennenlernte – eine Begegnung, an die sie rund zwei Jahre später in Kalifornien anknüpfte, als sie bei Blanco in L.A. vorbeischaute, womit auch schon der Startschuss für Debütalbum erfolgt war. Da Weaver, die sich selbst als hyperaktiv bezeichnet, immer wieder auf Gedichte als Inspirationsquelle zurückgreift – “Ich liebe irische Dichter, Leute wie W.B. Yeats und Oscar Wilde; ich stehe einfach voll auf diese romantischen Metaphern und deren blumige Sprache” –, basieren auch die Texte von “The Fool” auf intensiven Gefühlszuständen, die sie später in ihre eigene Sprache übersetzt.
“Wenn sich gerade irgendein intensives Gefühl anbahnt, dann singe ich am liebsten, also zum Beispiel wenn ich gerade den Tränen nahe bin”, so die Sängerin." Denn nur so kann man echte Gefühle einfangen, und das hat dann auch nichts mehr mit irgendwelchen Genres oder Musikstilen zu tun." Und da das emotionale Spektrum von “The Fool” dermaßen groß angelegt ist – von absoluter Melancholie bis zu purer Ausgelassenheit ist alles dabei –, hofft Weaver nun, dass ihre Zuhörer sich damit identifizieren können und in diesen Songs sowohl Trost als auch Inspiration finden.
“Ich persönlich glaube, dass viele Leute, die Musik machen oder anderweitig künstlerisch aktiv sind, ein ziemliches Problem damit haben, wie unsere Welt funktioniert; deshalb nehmen sie das alles auch so genau unter die Lupe und versuchen mit denjenigen Menschen darüber zu kommunizieren, die das verstehen”, so Weaver. “Man gewährt den Leuten tiefe Einblicke in die Abgründe der eigenen Persönlichkeit, weil man hofft, dass man mit dem, was man da erschaffen hat, den anderen Trost spenden kann. Ist schon ein seltsames Spielchen, und ich weiß nicht mal so genau, warum ich das eigentlich mache – wobei ich ehrlich gesagt gar nicht anders kann.”