Früh übt sich, was ein Meister werden will. Sakamoto begann 1963 im Alter von elf Jahren bei Professor Matsumoto an der traditionsreichen Kunsthochschule in Tokio Komposition zu studieren. Seine musikalischen Vorlieben reichten damals von den Beatles bis zu Beethoven. Acht Jahre später erwarb er am Tokioter Konservatorium zunächst seinen Bachelor of Arts im Fach Komposition und später seinen Master of Arts in elektronischer und ethnischer Musik. Ab 1977 arbeitete Sakamoto als Komponist, Arrangeur und Studiomusiker mit einigen der populärsten japanischen Rock-, Jazz- und Klassikkünstler zusammen. Und es sollte nicht lange dauern, da genoß er in seiner Heimat einen hervorragenden Ruf als Produzent, Arranger und Keyboarder.
1978 gründete Sakamoto mit Bassist Haruomi Hosono und Schlagzeuger Yukihiro Takahashi das Yellow Magic Orchestra (YMO), das international sofort als Sensation gehandelt wurde. Die Band wird weltweit neben den deutschen Elektronik-Pionieren Kraftwerk als die Vize-Könige der elektronischen Musik gehandelt, der immense Einfluß des YMO auf die Rave-, Techno- und Ambient-Music-Bewegung ist unumstritten. Innerhalb von fünf Jahren brachte das YMO nicht weniger als elf Alben heraus und erschloss sich eine eingeschworene Fangemeinschaft, die der Band noch heute die Treue hält.
Aus seinem Interesse an den verschiedensten musikalischen Genres – von Jazz und Bossa Nova über moderne Klassik bis hin zu Avantgarde- und Dub-Musik – machte Sakamoto nie einen Hehl: weder bei den den Stücken, die er für das YMO schrieb, noch auf seinen Soloalben oder bei den Film-Soundtracks, die er ab 1983 komponierte.
Im selben Jahr, als er die Musik zum Film “Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence” schrieb, verließ Sakamoto das YMO, um sich auf seine Solokarriere zu konzentrieren und intensiver mit sogenannterWeltmusik zu beschäftigen. “Ich habe eine Art kulturelle Weltkarte in meinem Kopf, auf der ich die Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Kulturen verzeichne”, sagte er damals. Seiner künstlerische Aufgeschlossenheit und Vielseitigkeit unterstrich Sakamoto auch durch Kooperationen mit so unterschiedlichen Musikern wie David Bowie, David Byrne, David Sylvian, Iggy Pop, Youssou N’dour, Robbie Robertson und Caetano Veloso oder auch Poeten wie William S. Burroughs und William Gibson.
Sakamotos bekannteste Arbeit ist vielleicht immer noch der Soundtrack zum Film “Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence”. Die meisten Auszeichnungen erhielt er hingegen 1987 für seine Musik zum Bernardo-Bertolucci-Film “Der letzte Kaiser”. Neben einem Oscar, einem Grammy und einem Golden Globe strich er für die Musik in der Kategorie “Bester Original-Soundtrack” auch noch die Preise der Filmkritikervereinigungen von New York, Los Angeles und Großbritannien ein. Danach arbeitete er als Filmkomponist noch zweimal mit Bertolucci zusammen (“Himmel über der Wüste” und “Little Buddha”), einmal mit Oliver Stone (“Wilde Palmen”), einmal mit Pedro Almodóvar (“High Heels”) und zweimal mit Brian DePalma (“Spiel auf Zeit” und “Femme Fatale”). “Seine Stücke wurden größtenteils zur musikalischen Begleitung visueller Ereignisse komponiert”, hieß es einmal in einem Billboard-Artikel über den Filmkomponisten, “aber sie können als reine Musik auch auf eigenen Beinen stehen, sind auch ohne jegliche externe Anreize phantasieanregend und fesselnd. Jedes einzelne Stück ist ein Beweis dafür, dass er der bemerkenswerteste Melodienschreiber der Gegenwart ist.”
Sein Debüt als DJ gab Sakamoto 1997, als der Modedesigner und Künstler Stephen Sprouse seine 98er Frühjahrskollektion vorstellte, mit der er seine triumphale Rückkehr in die Modewelt feierte. 1999 erlebte Sakamotos erste Oper “LIFE” ihre Premiere, die wie sechs weitere Aufführungen des Werks in Tokio und Osaka vor ausverkauftem Haus stattfand. An diesem ambitionierten Projekt wirkten über hundert Künstler mit, darunter José Carreras, Salif Keïta, Bernardo Bertolucci, Salman Rushdie, Pina Bausch, der Dalai Lama und Mitglieder des Frankfurter Balletts. Noch im selben Jahr arbeitete Sakamoto bei “The Day Before Death, Destruction & Detroit III” das erste Mal mit dem amerikanischen Theaterregisseur Robert Wilson zusammen und veröffentlichte in Japan eine Single des Piano-Solostücks “Energry Flow”, die dort in den Charts auf den ersten Platz gelangte. Die zweite Single, mit der dieses Kunststück vollbrachte, war 2001 “Zero Landmine”. Die Erträge dieser Single stellte er dem HALO Trust zur Verfügung, der sich in aller Welt darum bemüht, Landminen zu räumen.
2001 tat sich Ryuichi Sakamoto mit dem brasilianischen Cellisten Jaques Morelenbaum und der Sängerin Paula Morelenbaum zusammen, um im Haus von Antônio Carlos Jobim („The Girl From Ipanema“) in Rio de Janeiro das Album “Casa” aufzunehmen. Dabei durfte der japanische Pianist auf dem Privatflügel der 1994 verstorbenen Bossa-Nova-Legende spielen. Der brasilianische Kulturminister Gilberto Gil (der selbst ein weltbekannter Musiker ist) zeichnete Sakamoto für seine Verdienste um die brasilianische Musik und Kultur mit einem Orden aus, das Album wurde weltweit ein großer Erfolg.
2005 schaffte es Sakamoto auf seinem 15. Soloalbum “Chasm” zu seinen Elektro-Pop-Wurzeln zurückzukehren, ohne dabei seine klassischen Einflüsse zu verleugnen. 2006 setzte er seine vier Jahre zuvor begonnene Zusammenarbeit mit Klangkünstler Alva Noto (a.k.a. Carsten Nicolai) fort. 2007 brachte Sakamoto zusammen mit dem östereichischen Elektro-Musiker Christian Fennesz das Album “Cendre” heraus und mit dem amerikanischen Multiinstrumentalisten und Multimediakünstler Christopher Willits das Album “Ocean Fire”. Im selben Jahr stand auch die Uraufführung des Werks “Utp” an, das er gemeinsam mit Carsten Nicolai im Auftrag der Stadt Mannheim für deren 400-Jahres-Feier komponiert hatte.
Auch als Filmkomponist war Sakamoto nach wie vor aktiv. So schrieb er 2004 ein minimalistisches Piano-Opus für “Tony Takitani”, einen Film des japanischen Regisseurs Jun Ichikawa, und Orchesterstücke für den japanischen Film “Shining Boy and Little Randy” (2005) und den taiwanesischen Horrorfilm “Silk” (2006). 2007 kam es für einen Auftritt bei Al Gores “Live Earth Festival” in Kioto zu einer Reunion des Yellow Magic Orchestra, die vom Rolling Stone als “wahrer Glücksfall” gefeiert wurde. Seither ist das Trio wieder öfter gemeinsam aufgetreten, u.a. beim 2008er Meltdown-Festival in London, das unter der künstlerischen Leitung von Massive Attack über die Bühne ging.