Saliva | Biografie

Biografie

Samstag, nach Einbruch der Dunkelheit. 30 000 sind von ihren Sitzen aufgesprungen, auch die Frisur sitzt schon lange nicht mehr. Der Amp geht bis zwölf, der Abend noch viel länger. Gut fühlen sich die Dinge an, die schon Janis Joplin, Jim Morrison und Bon Scott ins Grab gebracht haben. Und schon ist auch wieder Sonntag. Zwei Mädchen liegen neben einem, die ganz fürchterlichen Husten haben. Im Tourbus wurde nämlich ganz doll geraucht.

Rock’n’Roll raises ist hungover head. Derartige Anekdoten aus tausendundeiner durchgemachten Nacht gehören zum unvermeidlichen Themenkreis jeder Pressekonfenrenz mit, sagen wir einmal, Slash: Heroin ist nicht schön, aber Oralsex vor dem Gig wirklich gefährlich, macht weiche Knie und so. Und kaum hatten sich die fünf Haudegen von Saliva Mitte der 90er zusammengefunden, hatten sie eine ganze Reihe solcher Geschichten zu erzählen. Das selbstproduzierte Debüt war einige tausend Male über die Ladentische gewandert. NuMetal war der ganz heiße Scheiß in den Marketingplänen der Plattenfirmen. Saliva hatten die fetten Gitarren, den feisten Beat und unanständige Reime. Und bald auch etwas Rundes aus Platin: Ihr Major-Einstand „Every Six Seconds“ lieferte mit „Click Click Boom“ und „Your Disease“ zwei veritable Hits. Salivas Beitrag zum „Dracula“-Soundtrack hatte aufhorchen lassen. Es gab offenbar noch harte, wilde Musik, deren kulturelles Gedächtnis weiter zurückreichte als nur bis zu Fred Durst und Limp Bizkit. Und schon sollte es einige weitere Male Samstag werden.

Wenn man am Wochenende Besuch erwartet, tut man gut daran, ein paar Getränke im Kühlschrank zu haben und den Autoschlüssel das Klo runterzuspülen. Erst recht, wenn Leute wie Nikki Sixx zu Besuch kommen. Denn der Mötley-Crüe-Mann kann nun einmal mit Autos nicht umgehen. Wohl aber mit Gitarren und gefährlichen Balladen: „Rest In Pieces“ wurde zu einem der entscheidenden Tracks, mit denen Saliva auf dem Zweitling „Back Into Your System“ ihr musikalisches Profil schärften. Denn die vorherige Zusammenarbeit für den Song „Hero“ mit Chad Kroeger von Nickelback (auch zu hören auf dem „Spiderman“-Soundtrack) hatte zwar für beträchtliches Aufsehen gesorgt, die Band aber im öffentlichen Bewusstsein zu einem Anhängsel einer Szene gemacht, zu der sie definitiv nicht gehörten. Und Songzeilen wie „Make Me A Superstar“, bei Erscheinen vom „Every Six Seconds“ 2001 noch als ironischer Seitenhieb auf die Verwertungsmechanismen der Musikindustrie und Celebrity-Gepose in den Medien gemeint, hatte unversehens etwas mit der eigenen Wirklichkeit von Josey Scott (Voc), Wayne Swinny (Git), Chris D’Abaldo (Git), Dave Novotny (B) und Paul Crosby (Dr) zu tun. „If It Feels Good / It Feels Good“. Warum nicht schon Samstag nachmittag anfangen, Party zu machen? Oder Donnerstag? Dienstag morgen?

Wenn man eine Weile unartig war und regelmäßige Mahlzeiten nicht zu ihrem Recht hat kommen lassen, braucht man ein kräftiges Frühstück. Saliva haben es bereits eingenommen. „Auf Tour haben wir es regelmäßig übertrieben“, meint Scott heute. „Na ja, es wurde zwar nie so schlimm wie bei Mötley Crüe. Aber mindestens so schlimm wie bei Poison.“ Immerhin – man hat es überlebt. „Survival Of The Sickest“ ist daher das neue Album betitelt – und zeigt die Band in absoluter Bestform. „Für unsere bisherigen Platten mussten wir Ärsche küssen und die Schnauze halten“, sagt Scott. „Da hatten wir diesmal keine Lust zu.“ Und so strotzt „Survival Of The Sickest“ nur so vor Selbstbewusstein. Das Songwriting kreist um ehrlichen Südstaatenrock und lässt Einflüsse wie Country und Blues durchschimmern (ein Loops hier und da darf es aber schon mal sein). Mehr AC/DC als Monster Magnet, mehr Stevie Salas als Jay-Z. Altmodisch? Und wie. Und kennt man die Geschichten nicht schon? Auch das. Sie beginnen alle Samstag, irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit.