April:
Sérgio Mendes: Geschicktes Anpassen an den musikalischen Zeitgeist
Am 11. Februar 2011 feierte
Sérgio Mendes seinen
70. Geburtstag. Und parallel auch gleich noch sein
50-jähriges Jubiläum als Aufnahmekünstler.
Die beiden Scheiben spannen den Bogen von seinen ersten Einspielungen, die er 1961 für das Instrumentalalbum “Dance Moderno” machte, bis hin zu zuvor unveröffentlichten Aufnahmen jüngsten Datums. Die 39 Tracks lassen keinen seiner großen Erfolge dieser 50 Jahre aus!
“Dass Sérgio Mendes der weltweit bekannteste und erfolgreichste brasilianische Musiker ist, kann kaum bezweifelt werden”, schrieb Hans-Jürgen Lenhardt in der Jazzthetik. “Die Compilation ‘Celebration: A Musical Journey’ gibt einen Überblick über seine gesamte Karriere. […] Wie kaum ein anderer hat Sérgio Mendes sich durch geschicktes Anpassen an den musikalischen Zeitgeist ständig neu erfunden und damit über Jahrzehnte jungen Generationen die brasilianische Musik vermittelt.”
Alison Krauss & Union Station: Wunderschöner melancholischer Bluegrass
Dass
Alison Krauss eine der erfolgreichsten Musikerinnen der Gegenwart ist, hat sich mittlerweile auch nach Deutschland herumgesprochen.
Zu verdanken hat die fiedelnde Sängerin dies ihrer sensationellen Zusammenarbeit mit dem legendären Led-Zeppelin-Sänger
Robert Plant.
Davor hatte man die Bluegrass-Künstlerin, die mit ihren 39 Jahren schon 26 Grammys eroberte, in europäischen Breiten kaum wahrgenommen.
Doch nun gehört sie mit ihrer Band
Union Station auch hier zu den Publikumslieblingen. Ihr letztes Album
“Paper Airplane” ließ Alison Krauss von Tonigenieur Mike Shipley (
Maroon 5, The Cars,
Def Leppard, Joni Mitchell) produzieren.
“Nachdem Alison Krauss 2007 durch das mit Robert Plant und T-Bone Burnett produzierte ‘Raising Sand’ auch Hörer jenseits der American Roots Music erreichte, besinnt sie sich mit ihrer alten Band Union Station wieder auf ihre Wurzeln”, notierte Audio in einer Rezension des Albums und schwärmte dann: “Wunderschöner melancholischer Bluegrass, flankiert von Banjo, Pedalsteel, Bass, Fiddle und Mandoline, umgarnt die hochmusikalische 26-fache Grammy-Gewinnerin.”
Mai:
Nicola Conte: Bestechende Hommage an die Flower-Power-Ära
Rechtzeitig zu seinem
50. Geburtstag wurde das Label
Impulse! Records, das in den 1960er Jahren Musikgeschichte schrieb, wiederbelebt.
Und die erste aufregende Neuveröffentlichung war
Nicola Contes “Love & Revolution”. Für das Album hat der italienische Gitarrist, Produzent und DJ mit Gästen wie Trompeter
Till Brönner, Saxophonist Tim Warfield sowie den neuen Jazzgesangsstars
José James und
Nailah Porter etwas vom Geist und der Musik der revolutionären 60er eingefangen und liebevoll modernisiert.
“Zum 50. Geburtstag des Impulse!-Labels serviert der italienische Produzent, Gitarrist und DJ eine bestechende Hommage an die Flower-Power-Ära der 60er Jahre, in deren Idealen sich Liebe und Revolution bedingten und nicht etwa ausschlossen”, meinte Manfred Gillig in der Musikwoche. “Dabei schwört Conte in plüschigen und nuancenreichen Arrangements mit viel Liebe zum Detail das sonnige Lebensgefühl jener Zeit.”
Lee Konitz, Brad Mehldau, Charlie Haden & Paul Motian: Denkmal eines großen Jazzkonzerts
Ein Gipfeltreffen zwischen drei alten und einem jüngeren Meister in einem der legendärsten Jazzclubs der Welt:
Auf
“Live At Birdland” interpretierten Altsaxophonist
Lee Konitz, Bassist
Charlie Haden und Schlagzeuger
Paul Motian mit Pianist
Brad Mehldau ein halbes Dutzend Jazzklassiker und ließen sie klingen, als wären sie gerade erst von ihnen selbst kreiert worden.
Später wurde dieses Meisterwerk mit dem Vierteljahrespreis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet.
Was damals noch keiner ahnen konnte: dass es eine der letzten Aufnahmen Paul Motians sein würde. Der Schlagzeuger verstarb 80-jährig am 22. November.
“Vier vom Jazzolymp in einem Club: Lee Konitz, Charlie Haden, Paul Motian und Brad Mehldau spielten 2009 ‘Live At Birdland’. Endlich gibt es eine Aufnahme”, freute sich Stefan Hentz unter der Überschrift “Denkmal eines großen Jazzkonzerts” in der Wochenzeitung Die Zeit. “Ungeprobt gingen die vier Musiker in den Club, abgesprochen war nur die Idee, gemeinsam durch das Reich der Standards zu schweifen und sich nur von der Intuition leiten zu lassen. Mehr brauchte es auch nicht:
Die Standards gehören längst zum genetischen Code ihrer Musik, so selbstverständlich, dass sie sich nach Belieben von ihnen entfernen und sich auf den verschlungensten Wegen wieder annähern können. Das Resultat ist ein Idealbild von Jazz: vier Musiker, die ihre spielerischen Routinen eingemottet haben und nur dann spielen, wenn sie einen musikalischen Gedanken haben, die einander zuhören, aufeinander reagieren und im Prozess des Spiels immer wieder andere Perspektiven einnehmen, aus denen das vertraute Material plötzlich unvertraut und neu ist. Jeder Ton klingt bedeutsam wie ein erstes Mal. “
Juni:
Madeleine Peyroux: Kein Album für oberflächliche Lounge-Jazz-Hörer, sondern für relaxte Genießer
Behilflich waren ihr dabei der findige Produzent Craig Street und hochkarätige Partner wie der frühere
Rolling-Stones-Bassist Bill Wyman, Allen Toussaint, Jonatha Brooke, Me’Shell Ndegeocello und Marc Ribot.
“Madeleine Peyroux eröffnet ‘Standing On The Rooftop’ mit dem Beatles-Classic ‘Martha My Dear’”, meinte Artur Schulz auf laut.de. “Eher eine irreführende Schelmerei genau wie ihre Ankündigung, sie wolle ‘diesmal härtere, ja sogar hässliche Klänge ausprobieren’.
Tatsächlich zeichnet vornehme Zurückhaltung die 15 Tracks aus. In dem Mix aus Eigenkompositionen, diversen Covern sowie Kollaborationen mit namhaften Künstlern unterschiedlichster Coleur hinterlässt besonders Bill Wyman nachhaltigen Eindruck. […] Madeleine kultiviert erneut elegantes Musik-Understatement. Kein Album für oberflächliche Lounge-Jazz-Hörer, sondern für relaxte Genießer, die ihre Zeit und Aufmerksamkeit gern vielschichtig angelegten Songs widmen.”
Ricardo Villalobos & Max Loderbauer: Das perfekte Klangerlebnis
Beide zählen zu den bekanntesten Namen der zeitgenössischen elektronischen Musik, haben aber auch ein ausgesprochenes Faible für die überwiegend mit akustischen Instrumenten erzeugte Musik des ECM-Labels.
“Spontanität und Intuition standen bei der Verbindung des akustischen Ausgangsmaterials mit der Welt der Maschinen im Vordergrund”, schrieb Tom Asam im Kulturmagazin Titel. “Die Vereinigung zweier Systeme sorgt hier für atemberaubende Resultate. Die Raumatmosphären der Originalproduktionen werden mit aller gebotenen Sorgfalt um neue Klangeindrücke erweitert.
Dieses Experiment ist sogar über die Laufzeit zweier CDs vortrefflich gelungen. Bei der Auswahl der Ausgangsmaterialien landete man übrigens nicht unbedingt bei den bekanntesten Künstlern. Wiederholt verwendet wurden Loops von Stücken des Christian Wallumrod Ensembles und Alexander Knaifel.”