SomeKindaWonderful | Biografie

SomeKindaWonderful

Schicksalhafte Begegnungen in den Bars von Cleveland, der schon von den legendären Spinal Tap als ödes Provinzkaff verspotteten Hauptstadt Ohios, eignen sich eher selten zur musikalischen Legendbildung, aber die Geschichte, die SomeKindaWonderful zu erzählen haben, ist wohl die berüchtigte Ausnahme, die die Regel bestätigt. Sie nimmt ihren Anfang als Sänger Jordy Towers sich nach einem geplatzten Plattendeal aus Los Angeles in den Mittleren Westen zurückzieht, um seine Wunden zu lecken.
Die meisten Leute gehen nach LA, weil sie sich dort eine steile Karriere erhoffen, aber ich musste die Stadt erst verlassen, um meinen Weg zu finden. Als ich bei diesem großen Label unterschrieb, dachte ich, jetzt würden alle meine Träume wahr“, erinnert sich Towers an seinen vermeintlichen Jackpot, der sich allzu bald als Niete herausstellen sollte. „Wir drehten ein Video in dem ich in einem albernen roten Anzug herumtanzen musste wie Justin Timberlake. Ich hätte mich am liebsten umgebracht  … ganz ehrlich. Das hatte nichts mehr mit mir zu tun.
Im Januar 2013 traf Towers in einer Bar in Olmsted Falls, einem winzigen Vorort von Cleveland, auf den Schlagzeuger Ben Schigel und den Gitarristen Matt Gibson. „Die beiden  machten wohl gerade so etwas wie eine halböffentliche Bandprobe, und wenn ich mich nicht täusche, waren sie ziemlich angetrunken“, lacht Towers. „Sie spielten diese Melodie, die mich sofort packte, also ging ich zu ihnen rüber, und sang einfach dazu. Ich weiß noch, dass wir uns danach bloß fassungslos ansahen und ich sagte: „Das sollten wir sofort aufnehmen.“ Wie sich herausstellte, gehört Schigel eines der besten Studios in ganz Ohio. Keine vier Stunden später war die Nummer im Kasten und das Trio hatte SomeKindaWonderful aus der Taufe gehoben. „Dieser erste Song, mit dem alles anfing, war „Reverse“, die Single, die unser Durchbruch sein sollte. Klingt wie ausgedacht, ist aber die Wahrheit.
Obwohl bei „Reverse“ fraglos eine Menge Glück im Spiel war, wäre es eine schamlose Untertreibung diese erste Single des selbstbetitelten Debüt-Albums von SomeKindaWonderful als reinen Glücksgriff zu bezeichnen. Gnadenlos eingängig klingt „Reverse“ mit seinen Anklängen an den Soul der 60er-Jahre, an kontemporären R&B, der Dynamik großformatiger Poprock-Entwürfe und seiner beinahe cineastischen Emotionalität so modern und klassisch zugleich, wie es eigentlich nur solche Songs tun, die auch noch Jahre nach ihrer Veröffentlichung nichts an Strahlkraft verloren haben. Jordy Towers singt in einer erzählerischen Kadenz, die Rap und Soul miteinander verschmilzt, von den Folgen eines Seitensprungs. Dabei verfolgt er die Ereignisse, die zu dieser Amour Fou führten bis zu ihren Anfängen zurück — und zwar, wie es im Titel bereits anklingt, in umgekehrter Reihenfolge. „Die Idee den Songs rückwärts zu erzählen geht auf einen Track meines Lieblingsrappers Nas und auf Michel Gondrys Film »Vergiss mein nicht« zurück. Auf gewisse Weise reflektiert der Song aber auch meinen Umzug von LA nach Cleveland: Denn mein Weg verlief ebenfalls in umgekehrter Richtung, als man normalerweise erwarten würde“, sagt Towers.
Auch die epische Ballade „Amaretto“, inhaltlich quasi das Prequel von „Revers“, begeht diesen aufregenden Genre-Spagat, der das ganze Album auszeichnet, allerdings diesmal dominiert von einem Phil-Spector-Moment, das mit verhalltem Schlagzeug, dräuenden Streichern und dem dramatischen Vibrato einer mäandernden Twang-Gitarre ganz groß auftrumpft und den angemessen Rahmen für eine Gesangsperformance liefert, die zeigt, zu welch gänsehautstiftenden Höchstleistungen Jordy Towers wandlungsfähige Stimme fähig ist.
In der mitreißenden Uptempo-Nummer „Honeymoon“ verknüpfen SomeKindaWonderful dann Sugarpop-infizierten Motown-Soul mit New-Wave-Anleihen in Form von zackigen Gitarren, einem verzerrten Bass, kühlen Synthie-Sounds  und einem treibenden Offbeat-Rhythmus zu einem der tanzbarsten Ohrwürmer des Albums.
Und an Ohrwürmen herrscht auf diesem aufsehenerregenden Debüt weiß Gott kein Mangel. Wie unter anderem „Police“ eindrucksvoll belegt, eine von wuchtigen Subbässen und tonnenschweren Beats getragene Hinwendung zum zeitgenössischen R&B, in denen nicht nur die heulenden Sirenen ordentlich Alarm machen. Ein Schelm übrigens, wer im Chorus dieses Monster-Tracks ein Hommage an KRS-One zu erkennen glaubt, liegt doch eine der zahlreichen Wurzeln der Band fraglos im Hiphop.  
Kein Wunder, dass der Prototyp ihrer ureigenen stilistischen Melange ausgerechnet ein Hommage an zwei der ganz Großen des Genres ist: „California Love“ ist eine Neuinterpretation des kultisch verehrten Hiphop-Klassikers, deren leicht gebremstes Tempo Towers souligem Gesang eine besonders lyrische Note verleiht, die von den hymnischen Distortion-Klängen im Hook noch unterstrichen wird. Dass SomeKindaWonderful mit diesem Song tatsächlich das Wunder gelingt, eine Coverversion in ein völlig neues Stück Musik zu verwandeln, ohne dabei vor dem Original in die Knie zu gehen — und wir sprechen hier immerhin von 2Pac und Dr. Dre — spricht für die Reife und Klasse dieser Band, deren Karriere mit dem Schritt von einer kleinen Bar in Ohio zu einem der vielversprechendsten Newcomer des Jahres 2014 gerade erst begonnen hat.
 
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