Am 10. Januar verkündeten die zehn deutschen Landesmusikräte bei einer Pressekonferenz in Berlin, dass das Saxophon zum “Instrument des Jahres 2019” gekürt worden ist. Da das Saxophon seit den Zeiten der Pioniere Coleman Hawkins und Lester Young ganz besonders im Jazz eine prominente Rolle spielt, nehmen wir die Kürung zum Anlass, hier in lockerer Folge an einige der bekanntesten und besten Jazzsaxophonisten zu erinnern. Nach Charlie “Bird” Parker geht es diesmal um Stan Getz.
Frank Sinatra wurde wegen seiner ebenso einschmeichelnden wie lässigen Stimme oft schlicht “The Voice” genannt. Als sein instrumentales Pendant kann man Tenorsaxophonist Stan Getz betrachten, der aufgrund seines sanften, warmen und lyrischen Timbres von Kollegen den Spitznamen “The Sound” erhalten hatte. Getz selbst hat den Klang des Saxophons mehrfach mit dem der menschlichen Stimme verglichen. “Meiner Auffassung nach ist das Saxophon eigentlich eine Umwandlung der menschlichen Stimme. Alles, was du tun kannst, ist, Melodie zu spielen. Egal wie kompliziert es wird, es ist immer noch eine Melodie.” Und: “Wenn du ein Instrument spielen möchtest, das singen kann, dann wähl das Saxophon.”
In seiner sechs Jahrzehnte umspannenden Karriere ließ Getz (1927–1991) seine “instrumentale Stimme” in den unterschiedlichsten musikalischen Kontexten erklingen. Begonnen hatte er seine professionelle Laufbahn 1943 im Alter von nur 16 Jahren als Alt- und Tenorsaxophonist im Orchester von Jack Teagarden. Danach war er Mitglied der nicht minder hochkarätigen Bigbands von Stan Kenton, Jimmy Dorsey und Benny Goodman sowie – als Teil der legendären Four Brothers – von Woody Hermans Second Herd. Ab 1949 widmete er sich ganz seiner Solokarriere. Er spielte Swing (“Hamp & Getz”) und Bebop (“For Musicians Only”), gehörte zu den führenden Vertretern des Cool Jazz (“Stan Getz And The Cool Sounds”) und West Coast Jazz (“West Coast Jazz”), popularisierte die brasilianische Bossa Nova in der ganzen Welt (“Jazz Samba” und “Getz/Gilberto”), nahm eines der ambitioniertesten Jazzalben mit Streichern auf (“Focus”) und versuchte sich auch in Filmmusik (“Mickey One”) und Fusion (“Captain Marvel”). Stets gelang es dem fünffachen Grammy-Gewinner, Kritiker und Fans gleichermaßen zu begeistern: mit seinem unvergleichlichen Balladenspiel, seiner eleganten Phrasierung und intelligenten Improvisationen.
“Es gibt vier Eigenschaften, die für einen Jazzmusiker unerlässlich sind”, hatte Getz einmal postuliert, “Geschmack, Mut, Individualität und Ehrfurchtslosigkeit.” Dass er selbst all diese Eigenschaften besaß, beweisen zahllose Einspielungen, die heute als Klassiker gelten. Mit seinen (auch kommerziellen) Erfolgen machte sich Stan Getz natürlich nicht nur Freunde. Aber missgünstigen Kollegen hielt kein Geringer als John Coltrane einst entgegen: “Machen wir uns doch nichts vor: wir würden alle gerne so klingen – wenn wir könnten.”