Mit den Ohren sehen – T Bone Burnetts visueller Musiktrip
12.04.2019
Mit T Bone Burnett assoziieren Musikkenner auf Anhieb einen ganz bestimmten Sound: erdig, rootsig, bluesig, rockig, naturalistisch, folkig und von Gitarren dominiert. So kennt man ihn seit den 1980er Jahren von seinen fruchtbaren Arbeiten mit Größen wie Bob Dylan, Elvis Costello, Willie Nelson, Gregg Allman und Roy Orbison. In dieser Zeit erntete Burnett für seine Arbeit als Produzent, Songwriter und Musiker dreizehn Grammys, darunter einen für die Produktion von “Raising Sand” von Robert Plant und Alison Krauss, das 2009 zum Album des Jahres gekürt wurde. Als Komponist und Produzent für Film und Fernsehen ist er ebenso bekannt, u.a. für die von der Kritik gefeierte TV-Serie “True Detective” sowie die Kinofilme “O Brother, Where Art Thou?”, “The Big Lebowski”, “Cold Mountain”, “The Hunger Games” und “Walk The Line”.
Rar gestreut sind hingegen die Aufnahmen, die der mittlerweile 71-Jährige in all diesen Jahren unter seinem eigenen Namen herausgebracht hat. Die letzte entstand tatsächlich schon vor dreizehn Jahren und trug dem Titel “The True False Identity”. Es war ein Album, das von dem eingangs beschriebenen typischen T-Bone-Burnett-Sound geprägt war, aber auch eine experimentelle Seite des Künstlers zeigte. Nun hat sich Burnett mit dem Keyboarder Keefus Ciancia und dem Schlagzeuger Jay Bellerose für die Aufnahme einer besonders abenteuerlichen Album-Trilogie mit dem Obertitel “The Invisible Light” zusammengetan, die er selbst als einen “experimentellen Liederzyklus” bezeichnet. Beide hatten auch schon an “The True False Identity” mitgewirkt und kooperieren auch sonst oft eng mit Burnett.
Mit “Acoustic Space” liegt nun der erste Teil dieser Trilogie vor. Ein Sticker auf der CD und der Doppel-LP bezeichnet das Werk als „Trip Visualist Music". Die Musik ist, wie die New York Times ihre Leser gleich vorwarnte, nichts für Leute mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne. Denn oberflächlichen Hörern würden die vielen schönen, aber oft genug auch fiesen Details entgehen, die T Bone Burnett und Keefer Ciancia, angetrieben von den mächtigen, manchmal geradezu tribalen Beats von Jay Bellerose, hier clever versteckt haben. Und die Musik ist, anders als einem der Titel des Albums suggeriert, auch nicht akustisch, sondern größtenteils elektronisch erzeugt worden. Über einen atmosphärisch-düsteren Klangteppich spricht und singt dann T Bone Burnett seinen Text. Der Liederzyklus basiert dabei auf einem einzigen Text – halb Prosa, halb Poesie -, der in verschiedene Lieder zerlegt wurde. In ihm setzt sich Burnett bissig, klug und pointiert mit der modernen Gesellschaft, Fakten und Fiktionen auseinander.
Das Ganze erinnert gelegentlich entfernt an das legendäre Album “Spare Ass Annie And Other Tales”, das die Disposable Heroes of Hiphoprisy 1993 mit dem Beat-Generation-Poeten William S. Burroughs aufgenommen hatten. Und wenn man einen so hervorragenden Ruf wie T Bone Burnett hat, kann man es sich auch leisten, für den nur zwölfsekündigen “Itopia Chant”, mit dem dieses spannende Album ausklingt, so großartige Vokalisten wie Cassandra Wilson, Logan Ledger, Jade Vincent und S.I. Istwa zu gewinnen. Der zweite Teil der Trilogie, so verspricht Burnett schon jetzt, wird “rockiger, punkrockiger werden und der dritte Part sehr, sehr jazzig, ziemlich außergewöhnlich”. Man darf gespannt sein.
Freunden des physischen Produktes ist „Acoustic Space" besonders in der LP-Variante zu empfehlen. Die Doppel-LP im Gatefold-Sleeve glänzt mit 16-seitigem großformatigem Booklet und schwarzen, gefütterten Innenhüllen. Auch hier also nicht nur eine akustische, sondern auch visuelle Freude.