Schon mit seinem ersten Solo-Hit hat
The Avener gezeigt, worum es ihm geht: vergessene, übersehene Schätze der Musikgeschichte ans Tageslicht zu befördern – und sie dezent clubtauglich zu machen. Das Original von “
Fade Out Lines”, geschrieben von
Phoebe Killdeer und The Short Straws, war ein in Blues getränkter Rohdiamant, und gepaart mit gedämpften Deep-House-Beats und lässiger Vintage-Ästhetik wurde daraus im Handumdrehen der charmanteste Sommerhit der letzten Jahre (u.a. Platz 1 in den Media-Control-Charts; Goldstatus in Deutschland).
Auf seinem kommenden Debütalbum
“The Wanderings of The Avener” verfolgt der stilsichere Franzose diesen Ansatz in immer neuer Form – und umrundet dabei mehrfach den Planeten, taucht immer tiefer ein in die letzten 50 Jahre der Musikgeschichte: Er holt Blues- und Jazz-Legenden an seine Seite, tut zeitgenössische Folk-Vertreter auf, und verankert deren Ansatz als Songwriter auf seinem zwischen dezenter Melancholie und purem Glück oszillierenden Produktionen zu einer musikalischen Zeitreise, die Genregrenzen ein für alle Mal ausradiert.
“The Wanderings of The Avener” ist deshalb ein so schlüssiges Statement, weil stets die Musik im Vordergrund steht: So gesehen ist The Avener nicht nur ein Producer, sondern eher ein unglaublich bewanderter Kurator, ja eine Art Dirigent, der in seiner Symphonie etliche Stimmen und Stile aus ganz verschiedenen Jahrzehnten zusammenführt.
Nach seinem in Sepiafarben getauchten Sommerhit hat der Franzose mit “Hate Street Dialogue” einen sehr viel älteren Schatz der Musikgeschichte für seine zweite Single gehoben – und abermals extrem viel Fingerspitzengefühl beim Transfer ins Hier und Jetzt bewiesen: Der Song erschien ursprünglich auf dem 1970 veröffentlichten Debütalbum “Cold Fact” von Folk-Sänger Sixto Rodriguez (*1942), der erst vor zwei Jahren, mehr als vier Jahrzehnte später, durch den mit einem Oscar prämierten Dokumentarfilm “Searching For Sugar Man” bekannt werden sollte.
Geschrieben von Gary Harvey, Mike Theodore und Dennis Coffey, verschlägt es einen vom ersten Akkord an in die Haight/Ashbury-Gegend, ins San Francisco der späten Sechziger – es geht also nur indirekt um “Hate” –, wenn Rodriguez den Zerfall der Hippie-Utopie und urbane Probleme mit melancholischem Einschlag thematisiert. Unterfüttert mit Beats à la The Avener, versprüht der Track eine Stimmung, die nahtlos an seine erste Single anknüpft.
In jahrelanger Arbeit entstanden, driftete The Avener während seiner “Wanderings”, seiner Streifzüge zum Teil sogar noch weiter in die Vergangenheit: Der 75-jährige Andy Bey, ein grandios unterschätzter Jazzsänger und -pianist aus New Jersey, ist ein weiterer Albumgast – und das zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Veröffentlichung seines Debütalbums zum 50. Mal jährt. Mal ist es die magische Stimme von Hope Sandoval, der Sängerin des viel zu lange verschollenen L.A.-Phänomens Mazzy Star, die mit The Aveners Produktion flirtet, dann wieder bricht er nach Skandinavien auf und arbeitet mit zeitgenössischen Musikern wie Ane Brun oder dem Producer und Sänger n*grandjean, bürgerlich Nikolaj Grandjean aus Kopenhagen.
Während er in London den Newcomer Jake Isaac auftut, dessen gefühlvolles Soul/Folk-Update in eine ähnliche Kerbe schlägt, importiert er sogar Sounds aus der inexistenten Republik Kadebostan – die nämlich wollen die Schweizer Kadebostany seit Jahren mit ihrem Sound ausrufen. Auf der anderen Seite vom großen Teich hat er mit The Be Good Tanyas eines der größten Geheimnisse Kanadas gelüftet, dabei steht der Name der dreiköpfigen Band genau genommen auch schon seit 15 Jahren für zeitlosen Folk- und Americana-Sound.
Ihr Landsmann Adam Cohen, der Sohn von Leonard, ist ein weiterer Albumgast, der sich auf den Dialog mit The Avener eingelassen hat, nachdem ihm sein viertes Album “We Go Home” erst vor wenigen Wochen eine Top−10-Platzierung in den kanadischen Charts bescheren sollte. Und dann wäre da natürlich noch die 2001 verstorbene Blues-Legende John Lee Hooker, die ein aufmerksamer Student der Musikgeschichte wie The Avener auch nicht einfach so ausklammern konnte…
Crate-Digger, Sound-Archäologe, Talentscout, Collagenkünstler, Kurator, Dirigent seiner ganz eigenen Symphonie – The Avener vermischt im Rahmen seiner scheuklappenfreien Streifzüge Akustisches mit Digitalem, Handgemachtes mit Tanzbarem, “Acoustic meets Deep House”, wie er selbst sagt.
Passend zu seinem Künstlernamen – ein Avener war vor Jahrhunderten die rechte Hand des Königs, verantwortlich für die Pferde im Stall –, drängt sich der 27-jährige Produzent aus Nizza nie in den Vordergrund, sondern sucht vielmehr das perfekte Arrangement, um seine Armee von Mitstreitern ins rechte Licht zu rücken.
Auch die Tatsache, dass er stets der Musik, dem jeweiligen Song selbst dient, überrascht nicht wirklich, wenn man einen Blick auf seine Biografie wirft: Der ausgebildete Pianist, der neben Klassik auch Jazz beherrscht, war vor seinem Schritt ins Rampenlicht jahrelang als Electro-DJ unterwegs – und somit schon damals stets auf der Suche nach musikalischen Schätzen für den nächsten Auftritt. Auch mit seiner Arbeit als Ghost-Producer führte er im Hintergrund die klanglichen Fäden zusammen, ähnlich wie er es jetzt mit Größen wie John Lee Hooker oder Mazzy Star tut, deren emotionales Songwriting er in unsere Zeit überführt.
Der unvergleichlich warme Sound, den The Avener während seiner “Wanderings” eingefangen hat, vereint alles von Blues bis Folk, von Jazz bis Pop, von Downtempo bis Singer/Songwriter – folgen wir ihm ins wärmende Licht.