Vor rund drei Jahren blieb The Feeling wirklich kein Moment zum Durchatmen, sie surften gerade auf dieser „unfassbaren Welle der Begeisterung“, wie Bassist Richard Jones den Zeitraum nennt, nachdem sie endgültig die britische und schließlich auch die internationale Poplandschaft erobert hatten. Kein Wunder, denn The Feeling waren anders: Mit ihnen war plötzlich eine Band auf den Plan getreten, deren Mitglieder auf Acts wie Wings standen, auf ELO und Elton John und 10cc – und nach Jahren, in denen eine grimmige Indie-Combo nach der anderen aufgetaucht und ganz, ganz schnell wieder in der Versenkung verschwunden war, brachten The Feeling schlagartig frischen Wind und positive Vibes in die Szene. Immerhin hatte man es hier mit einer Combo zu tun, die ihre ersten Erfahrungen gesammelt hatte, indem sie in einem Skiort in den Alpen Stücke von ABBA, The Buggles oder auch von den Bangles coverten und die Skifahrer damit bei Laune hielten. Mit einer Band, der es in erster Linie „um ganz große Refrains und ganz große Hooks“ ging – in einem Wort: mit einer Truppe, die aus gutem Grund als eine der großartigsten Newcomer-Bands aus UK gefeiert wurde.
Während sie nun gerade eine schier endlose Tour durch das Königreich absolvierten, standen bei ihnen eines Tages diverse Radiointerviews auf dem Programm: „Das war am National Doodle Day, dem Tag, an dem alle irgendwas zu Papier bringen, irgendwas dahinkritzeln sollen“, berichtet Sänger Dan Gillespie-Sells lachend. „So wurden auch wir schließlich gebeten, doch bitte eine kleine Zeichnung anzufertigen…“
„Dan und ich zeichneten daraufhin beide dasselbe: so eine gewundene Spirale mit so kleinen Männchen, die in den Strudel hineinlaufen“, unterbricht ihn Richard. „Wir hatten so viel Zeit miteinander verbracht, dass wir in diesem Moment exakt denselben Einfall hatten.“
Die Sache mit den identischen Zeichnungen sollte die beiden nicht mehr loslassen: Die Idee, dass der Weg das eigentliche Ziel ist, gefiel den beiden Hobbyzeichnern an ihrem Zwillingswerk am besten –, und genau darum drehen sich deshalb auch die Songs ihres dritten Albums: „Together We Were Made“.
Aufgenommen in Dans Wohnung (was zugleich das Studio der Band ist) – einem ehemaligen Pub im Ostteil von London, inzwischen bekannt als The Dog House (und wunderschön dekoriert in pompösem Nachkriegs-Style) –, markiert die Veröffentlichung von „Together We Were Made“ ein großes Jubiläum für Dan und Richard: Sie arbeiten inzwischen schon ihr halbes Leben zusammen. Ein lachender Richard kommentiert: „Ich bin halt Fan von ihm! Dan schreibt Melodien, und ich weiß einfach sofort, was er da macht – seine Songs bewegen mich nun mal.“
Wie unschwer zu erkennen, sind The Feeling momentan auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Erster Beweis dafür ist der Track „Set My World On Fire“, der schon im Vorfeld der Albumveröffentlichung von der BBC als offizielle Titelmelodie der Cricket-WM eingesetzt wurde. Kein Wunder: Der um einen lässigen Calypso-Beat gestrickte Track klingt wahnsinnig persönlich und episch zugleich.
Der mit Reggae-Elementen gewürzte Song „Another Soldier“ hingegen – „So ein Hang zum Reggae ist schon etwas sehr Britisches“, meint Dan – handelt davon, wie es sich anfühlt, wenn man permanent für alles kämpfen muss, was man haben will. „Du weißt schon: dieser Moment, wenn man das Gefühl hat, nicht mehr Herr der Lage zu sein? Grausam ist das.“
„In dem Stück ist übrigens auch ein Sample von Sophie zu hören“, sagt Richard und meint damit seine Ehefrau: Sophie Ellis-Bextor. „Wir waren gerade in New Orleans an diesem Schießstand. Sie drückte ab und schrie los, und so hört man nun beides in dem Song: den Schuss und dann den Schrei.“
Das extrem laute und bildhafte „Come And Get It“ wurde hingegen vom Soundtrack zum Film „Bugsy Malone“ inspiriert. „Wir veranstalten hier immer so bekloppte Partys“, erzählt Dan und schaut sich dabei im Dog House um. „Mit diesem Stück zelebrieren wir diese Abende, an denen man einfach blödes Zeug macht, sich gehen lässt und auch mal einen auf dekadent macht.“ „Und der Basslauf klingt voll nach Stevie Wonder“, ergänzt Richard.
„Leave Me Out Of It“ ist ein Duett mit Ellis-Bextor; der Beat ist unglaublich ansteckend, während die Melodie obendrauf mit einem Keyboard eingespielt wurde, das Dans Mutter ihm schon als Teenager gekauft hat. „Da schwingt schon ein Hauch von Nostalgie mit“, meint Dan. „Ein ganz besonderes Gefühl auf jeden Fall. Der Refrain geht: ‘You don’t know what love is until you’ve had mine…’ – was cool ist, wenn ein Mädchen das zu einem sagt, aber vollkommen grausam klingt, wenn es aus meinem Mund kommt. Darum musste Sophie diese Zeile singen.“
Wie gut diese Jungs die Kunst der Ballade beherrschen, beweisen sie dieses Mal mit „Say No“, einem Track, der auch einen satten Gospel-Einschlag hat. „Die Melodie ist einfach so fantastisch ausgeformt“, meint Dan, „also hab ich da einfach mal einen ganzen Song drangehängt. Die Nummer klingt voll nach uns: Diese übereinander geschichteten Melodien – das findet man auf all unseren Alben. So ist das wohl: Mit vier hatte ich meine erste Gitarre in der Hand, und seither gab es einfach kein Zurück. Ich mache von morgens bis abends Musik, und ich will auch nichts anderes machen. Ich hab keine anderen Ziele als das hier.“
Zwischen 2005 und 2008 hatten The Feeling insgesamt vielleicht 10 Tage frei. Permanent volle Tourkalender, in denen immer neue Dates eingetragen werden mussten, weil ihr Sound in immer neuen Ecken der Welt für Furore sorgte, waren genau das, wonach ihnen der Sinn stand: Es gibt nur wenige Bands, die mit so viel Enthusiasmus eine dreimonatige Tour durch die gesamten USA absolvieren – quasi ohne freien Tag dazwischen, abgesehen von einem halben Tag in Norfolk, Virginia – vielleicht –; aber irgendwann war es dann doch mal genug.
„Wir waren vollkommen erledigt“, erzählt Richard. „Wir fingen da schon so langsam an zu verstehen, warum andere Bands irgendwann durchdrehen oder sich gegenseitig umbringen.“
„Ich verlor langsam aber sicher den Verstand“, meint auch Dan.
Anstatt sich nun aber in die Haare zu kriegen oder ein Zerwürfnis überhaupt zu riskieren, fassten The Feeling kurzerhand den Entschluss, ein ganzes Jahr Pause einzulegen – und andere Dinge auszuprobieren, zum Ausgleich. Dan nahm Flugstunden mit dem Hubschrauber. Richard flog auch – mit Flugzeugen – und dazu wurde er zum zweiten Mal Vater. Schlagzeuger Paul Stewart kaufte sich einen Dragster und heiratete.
„Wir haben wirklich kein Klischee ausgelassen“, meint Richard. Doch es dauerte nur wenige Monate, bis die Batterien wieder voll waren und sie unbedingt neue Songs schreiben wollten. Also brachen sie auf, zu einem „kleinen Rückzugsort“ in Wiltshire, wo sie sich für zwei Wochen einsperrten und eine ganze Reihe von neuen Songs komponierten. Danach folgten noch Abstecher nach Nashville (wo sie den legendären Produzenten Bob Ezrin trafen, der sich gleich als Fan zu erkennen gab) und nach Schweden – und mit jedem Tag nahm ihr neues Album konkretere Formen an.
2010 kehrten sie dann in die Alpen zurück, um dort ihr eigenes „Little World Festival“ ins Leben zu rufen – dieses Jahr werden sie dort auch wieder als Headliner neben Acts wie Squeeze und Ed Harcourt auftreten.
Zurück im Dog House entdeckten sie „sleepover jam sessions“ für sich, durchgerockte Nächte im wahrsten Sinne des Wortes also, in denen sie einfach nur drauflos spielten und ihren Ideen einfach mal freien Lauf ließen.
Zwischendurch holten sie auch noch The Freemasons, „absolute Wahnsinnsproduzenten“, wie sie sagen, ins Boot, die nach ihrer Arbeit für Ellis-Bextor (und Remix-Arbeiten für Kelly Rowland, Solange Knowles und Jamiroquai) nun dafür verantwortlich waren, den nötigen „Elfenstaub“ über die neuen Songs zu versprühen.
„Das alles fühlte sich plötzlich wieder wie ein Hobby an“, berichtet Dan, „denn wir haben uns wunderbar gehen lassen. Die Zeit haben jedoch definitiv gebraucht. Wenn man Platten aufnimmt, bei denen alles auf Songwriting basiert – die Ideen also nicht einfach so aneinandergereiht sind –, dann braucht man einfach mehr Zeit. Man muss mit diesen Ideen leben, sie auf sich wirken lassen und herausfinden, welche davon einem wirklich etwas bedeuten. Songs haben manchmal so ein seltsames Eigenleben, sie können einen überraschen, und deswegen ist der Faktor Zeit so wichtig, weil nur sie einem etwas über die eigentliche Qualität verraten kann. Die besten Stücke bestehen aus drei simplen Dingen: einer Zeile, einer Melodie und einem Akkordwechsel irgendwo. Und manchmal hilft es, wenn man sein Gehirn einfach mal ausschaltet und sich an durchgeknallte Orte begibt. Der Verstand bringt manchmal nämlich hässliche Sachen hervor, während das Unterbewusstsein sich schon eher mit den schönen Dingen auskennt.“
„Und dann kam irgendwann der Tag, an dem uns klar wurde, dass nun genug Zeit ins Land gegangen war“, sagt Richard. „So à la ‘Das hier darf auf keinen Fall unser „Chinese Democracy“-Album werden!’“
Darum klopften sie im Oktober letzten Jahres bei ihrem Label Island Records an, womit alles Weitere seinen Lauf nahm – und womit wir im Hier und Jetzt angekommen wären: „Together We Were Made“ erscheint am xx. Juni. Und was für Songs darauf versammelt sind: Es ist ein Album geworden, das einfach nur nach The Feeling klingt, zugleich aber auch neue Richtungen und das eine oder andere Experiment beinhaltet. „Selbst wenn wir es ganz bewusst darauf anlegen würden, nicht mehr wie The Feeling klingen zu wollen, würden wir wohl immer noch nach The Feeling klingen“, sagt Dan. „Denk doch mal an die Beatles oder Elton John oder Tina Turner – man erkennt sie immer, an der Stimme.“
„Ganz gleich, was wir auch schreiben, es wird immer nach Dans Stimme und unserem Band-Sound klingen, und an irgendeiner Stelle wird man dann wahrscheinlich auch noch unseren Hintergrundgesang hören können, der ganz plötzlich aus dem Nichts auftaucht“, sagt Richard abschließend und lacht. „Das sind wir, das ist unsere Identität, und man sollte immer zu dem stehen, was man ist und keine Angst davor haben.“