Eigentlich weißt du doch schon alles über The Strypes. Für dich ist alles klar, alles gesagt: Das sind diese vier Teenager aus Irland, die quasi schon seit sie laufen können zusammen Musik machen. Die diesen krassen Garage-Blues-Sound machen, wie nur eingeschworene Buddys das können, die schon vor Jahren zusammen den Erdkundeunterricht geschwänzt haben, um noch schnell ein Set aus Coversongs zu spielen, das ungefähr so klang wie der Londoner Bag O’Nails Club im Jahre 1965. Halt enge Anzüge aus Mohair, dazu die jaulende Mundharmonika, sich überschlagende Punk-Beats…
Nur entspricht das alles natürlich nicht der Wahrheit und hat NICHTS damit zu tun, wofür der Name The Strypes wirklich steht. Nicht im Geringsten, und mit „Little Victories“, ihrem neuen Album, liefern sie gleich 12 Argumente dagegen.
„Ja, diese falsche Schublade, in die man uns da gesteckt hat, sind wir irgendwie nicht mehr losgeworden“, meint Schlagzeuger Evan Walsh, während er in einem Hotel im Westen von London gerade auf einem Stuhl Platz nimmt. „Wir fanden diese Sachen auf jeden Fall super und das alles zählt auch sicher zu unseren Einflüssen, aber wir wurden ja zum Teil so dargestellt, als ob wir direkt aus ‘A Hard Day’s Night’ kommen würden. Wobei wir ja in Wirklichkeit eher in Richtung Elvis Costello, Dr. Feelgood und Pub-Rock unterwegs waren.“
„Wenn sich die Leute mal eines unserer Konzerte angeschaut hätten, dann hätte keiner mehr so geredet“, meint Bassist Pete O’Hanlon mit seinen Korkenzieherlocken. „Aber natürlich ist es viel einfacher, sich ein Foto von einer Band anzuschauen und dann zu sagen, ‘Oh, ich weiß ganz genau, wie die klingen…’“
Allerdings entsprechen manche Dinge, die man in den letzten Jahren über The Strypes gehört hat, durchaus der Wahrheit: Es stimmt zum Beispiel, dass die Band – also Walsh, O’Hanlon, Gitarrist Josh McClorey und der Sänger Ross Farrelly – bereits existierte, als die vier noch nicht mal das Teenager-Alter erreicht hatten. Auch zogen sie schon ganz früh durch Irland und ließen dabei wirklich keine Auftrittsmöglichkeit aus, was ihnen mit der Zeit eine ordentliche Fanbase bescherte. Es stimmt auch, dass sie 2012 in der britischen Szene richtig für Furore gesorgt haben, als sie jede andere Band locker in Grund und Boden spielten mit ihrem dreckigen Sound, der gleichermaßen an Dr. Feelgood und wilden Rhythm & Blues anknüpft. Und ja, ihr Debütalbum „Snapshot“ lässt sich durchaus mit klassischen Erstlingen von Bands wie den Stones, den Yardbirds, Dr. Feelgood oder auch The Jam vergleichen. Alles ungelogen und schuldig im Sinne der Anklage.
Das Beste daran, gerade mal 18 zu sein, also alles noch vor sich zu haben, und trotzdem schon als heißeste Band im Königreich zu gelten, muss dann doch eigentlich das ganze abenteuerliche Drumherum sein, das so viel Aufmerksamkeit automatisch mit sich bringt, oder? Das ist sie schließlich, die sprichwörtliche Welt, die einem zu Füßen liegt. Aber das Thema ist für diese Jungs nun auch schon abgehakt. Was also macht man danach?
Nun, für The Strypes besteht dieses Danach aus einem Album, das die wilde Energie von „Snapshot“ aufgreift und sie nutzt, um einen wirklich heftigen Rock & Roll-Hybridsound für das neue Jahrtausend zu kreieren. Angefangen beim dreckigen Basslauf von „Get Into It“ und dem in Absinth getränkten Psycho-Sound von „(I Wanna Be Your) Everyday“ bis hin zum ausgelassenen New-Wave-Einschlag von „Scumbag City Blues“, mit dem sie ihr Album beenden, präsentieren The Strypes dieses Mal nämlich so viele unterschiedliche Facetten, dass einem fast schon schwindelig werden kann. Man erkennt sofort, wie viel in den letzten zwei Jahren passiert ist, denn auf „Little Victories“ findet sich alles von knallhart-mehrspurigen Riffs („I Need To Be Your Only“, was fast schon in Richtung Metal geht), schnellem Punk-Pop („Best Man“), messerscharfen Beobachtungen à la The Kinks („Cruel Brunette“) und grandios anrüchigem Roots- bzw. Sumpf-Rock („Status Update“). Vier Beispiele, die belegen: Jeder dieser Songs explodiert in eine vollkommen neue Richtung.
Während dieses Mal neben persönlichen Helden wie Bo Diddley und Nick Lowe auch die Arctic Monkeys und George Clinton zu den vielleicht wichtigsten Einflüssen zählten, begann McClorey die Arbeit an den Songs oftmals ganz allein an seinem Laptop, um die Demo-Entwürfe daraufhin der Band zu präsentieren und zusammen mit den anderen Jungs alles gleich wieder über den Haufen zu werfen. Allerdings gab es auch Songs, die aus einem einzigen Bass-Riff hervorgingen, einem Schlagzeug-Beat oder einem Schnipsel von irgendetwas, an dem sie gerade gearbeitet hatten… kurz gesagt: Der ganze Prozess hatte nichts mehr mit ihren Anfangstagen zu tun, als sie sich nach der Schule trafen um einfach nur klassische Blues-Songs zu covern.
„Das war auch die Idee, den ganzen Purismus über Bord zu werfen. ‘Oh, man darf das aber nur so machen’, das gab’s dieses Mal nicht“, berichtet Walsh. „Diesen Ansatz haben wir einfach mal aus unseren Köpfen gestrichen, weil es doch letztlich darum geht, ganz ehrlich zu zeigen, wie sehr man auf diese unterschiedlichen Dinge steht, ohne dabei zu ehrfürchtig zu sein, weil man seine vermeintliche Nische weiter festigen muss.“
Und wenn man der Band dann ins Gesicht sagt, dass dieses Album einen echten Quantensprung im Vergleich zu ihrem Debüt markiert, dann schauen die vier Jungs fast schon verlegen aus der Wäsche: „Ja, wir sind als Musiker wohl reifer geworden“, sagt McClorey dann ganz sachlich. „Es ist einfach eine Weiterentwicklung. Es ist ja fast schon so, als ob man das, was wir mit 12–13 gehört haben, mit dem vergleicht, was wir heute hören. Und natürlich liegen da Welten dazwischen.“
Neue Klangwelten sind es auf jeden Fall, aber vor allem bringt dieses Album einfach mal auf den Punkt, was diese vier Jungs zu so einer grandiosen Band macht: Auf „Little Victories“ erfährt man, wofür der Name The Strypes in Wirklichkeit steht.