Im Hardrock und Heavy Metal bekommen Thin Lizzy den Preis für die beste Nebenrolle, denn das Gesamtwerk Thin Lizzys – abgesehen von Radiosingles wie „The Boys Are Back In Town“, „Dancing In The Moonlight“ oder „Whiskey In The Jar“ – ist immer noch eine Angelegenheit der Connaisseure.
Thin Lizzy verwoben Funk und Hardrock, Folk und die keltische Tradition ihrer Heimat Dublin. Bassist und Leadsänger Phil Lynott wurde der stärkste dunkelhäutige Rocksänger zwischen Jimi Hendrix und Rick James.
Lyndon durchpflügte Lizzys Arbeiterlieder mit seiner Turbostimme, mit seinen Texten zwischen taumelndem Testosteron und romantischer Verletzlichkeit. Eine andere Liga als die der Roths und Roses – Lynott war der Michael Stipe der 70er! VH1 listet Thin Lizzy auf Platz 51 seiner „100 Greatest Artists of Hard Rock“.
Lieblings-Diskussionsthema bei Rockfans: War nun die frühe Lizzy-Phase von 1971 bis `73 mit dem Gitarristen Eric Bell die beste oder die darauf folgende-: 1974–78 mit dem Doppel aus Brian Robertson und Scott Dorham?
Robertson und Dorham sind mitverantwortlich für zwei integrale Alben von Thin Lizzy: „Jailbreak“ (1976) und „Live and Dangerous“ (1978), letzteres sieht man immer wieder in den Top−10 der besten Rockalben aller Zeiten.
Feinsinnigere Rockfans sehen den Zenith der Band dagegen am Anfang, im Trio-Line-Up mit Eric Bell (einem Abgänger von Van Morrissons Them) und Drummer Brian Downey, spätestens im dritten Thin Lizzy-Album „Vagabonds of the Western World“ (mit dem Top−10-Hit „Whiskey In The Jar“) eine vergriffene Perle, die 2010 glücklicherweise als aufwändig überarbeitete Deluxe-Edition neu erschienen ist.
Nach „Vagabonds of the Western World“ gab es einen Schnitt. Thin Lizzy verließen Decca und gingen zu Mercury. Eric Bell verließ Thin Lizzy, der Gitarrenposten wurde zur Drehtür: neben Scott Dorham standen abwechselnd Brian Robertson, Gary Moore, Snowy White und John Sykes im Dienste Lynotts.
Das essentielle Thin Lizzy-Album ist im Rockkritiker-Konsens immer noch „Live And Dangerous“ von 1978. Aufgenommen in London und Toronto, kreisen die Lizzys dort hoch am Rock-Himmel, auf den Schwingen ihrer Mittsiebziger-Studioalben „Jailbreak“, „Johnny The Fox“, und „Bad Reputation“.
Brutal und brillant waren 1976 die Boys mit ihrem bekanntesten Studioalbum „Jailbreak“ in die Stadt eingefallen. Auf „Johnny The Fox“ setzten Thin Lizzy mit ungewöhnlichen Songs („Old Flame“, dem romantischen „Sweet Mary“) einen Gegenpol zur Kracher-Single „The Boys Are Back In Town“ aus jener Durchbruchs-LP.
Das irische Quartett emanzipierte sich noch einmal neu von den gängigen Hardrock-Headbanger-Klischees, Power-Akkorden und Schrei-Refrains, machte seinen Brückenschlag zwischen Fleetwood Mac, keltischem Folk, Funk und Jimi Hendrix zum Markenzeichen.
„Bad Reputation“, 1977 mit Produzent Tony Visconti (David Bowie, T.Rex, Morrissey) aufgenommen, schloss den Kreis mit dem Überhit „Dancing In The Moonlight (It´s Caught Me In Its Spotlight)“.
„Live And Dangerous“ brachte diese ganze Glorie auf die Bühne und gilt heute als eines der 10 größten Livealben der Rockgeschichte.
Nach ihrer Glanzzeit, im Aufkommen von Punkrock standen Thin Lizzy dann zunehmend als Rock-Dinosaurier da, bis sie sich 1983 auflösten. Die bereits davor begonnene Solokarriere des Frontmanns wollte nicht mehr abheben. Am 4. Januar 1986 starb der Singer-Songwriter Phil Lynott an den Spätfolgen seiner Alkohol- und Drogensucht. 2005 errichtete man ein Bronze-Denkmal Lynotts in der Dubliner Innenstadt.