Wie schön, wenn man in diesen irritierend unsicheren Zeiten noch auf eine Band bauen kann, die konstant immer wieder mit grundsoliden Alben, gut geschriebenen Songs, einem eigenen Sound ankommt: Tom Petty & The Heartbreakers, in Zeiten der Heuschrecke so wertvoll wie Bob Dylan und Bruce Springsteen.
Ein Typ wie Petty brauchte zwischendurch kein Flamenco- oder Hip Hop-Album aufzunehmen, um seine Karriere in Schwung zu halten. Problemlos könnte man seine Songs auf jedem neuen Album von Ryan Adams oder Wilco oder Jack White von den White Stripes unterbringen. Bei aller Konsistenz klang Petty bei jedem Album zwischen 1976 und 2006 immer ein bisschen echter, origineller als seine Jünger: Melissa Etheridge auf ihrem Cover von Pettys “Refugee”. Oder die Red Hot Chili Peppers, deren Song “Dani California” verdammt genauso klingt wie Pettys “Mary Jane´s Last Dance”. “Das war bestimmt keine böse Absicht”, sagte Petty ganz gelassen dem “Rolling Stone”. Viele Rock´n´Roll-Songs klängen nun mal eher gleich. Da könnte man ruhig auch mal Chuck Berry fragen. Als die Strokes auf ihrem “Last Nite” seine Single “American Girl” rippten und das öffentlich zugaben, habe er sehr gelacht, so Petty. OK, Def Leppard, Goo Goo Dolls oder Pearl Jam – Auge noch mal zugedrückt. Der lustigste Coverer des Songs ist wahrscheinlich Roger McQuinn von den Byrds. Er coverte “American Girl” so identisch mit dem Original, dass er später Petty fragte: “Wann habe ich diesen Song geschrieben?” Nun ja, Petty und McQuinn haben beide diese nasale Stimme, einen irgendwie ähnlichen Sound. Es muss eine unbewusste Seelenverwandtschaft gewesen sein, denn Petty gab an, als Junge nie groß die Byrds gehört zu haben, sondern Elvis und die Beatles. Mit Zehn traf er Elvis persönlich, auf dem Filmset vom Presley-Film “Follow That Dream”, wo Toms Onkel einen Job hatte, in Ocala, Florida, ganz in der Nähe von Gainesville, wo Tom aufwuchs. Danach tauschte er seine Markenschleuder von Wham-O gegen einen Karton voller Elvis-Singles. Als er ein paar Jahre später die Beatles in der “Ed Sullivan Show” im Fernsehen sah, wusste er, was er werden wollte. Gegen den Willen seines autoritären, cholerischen Vaters, der den sanftmütigen, verträumten Tom als Weichei verspottete und regelmäßig verprügelte. Die dünnen blonden Haare, das unschlagbare Grinsen, kein wirklich schöner Mann, kein Don Juan, einer, der mit der Zeit an Appeal gewann. Als er seiner engen Freundin Stevie Nicks den Song “Stop Draggin´ My Heart Around” auf den Leib schrieb, dichtete die Presse ihnen eine Affäre an, was beide so irritierte, dass Petty sie nicht mal mehr als Gast auf die Bühne holen wollte, im Fillmore Theatre von San Francisco, dem Wohnzimmer der beiden.|Benmont Tench, der Keyboarder von Tom Petty & The Heartbreakers, erinnert sich noch genau an den Tag, an dem sie von Gainesville in Richtung Los Angeles aufbrachen, 1974, am 1. April, mit dem Auto. Damals hieß die Band noch Mudcrutch. Das ganze fühlte sich zuerst wie ein Aprilscherz an, als das Auto nach zwei Blocks zusammenbrach. Fünf Jahre später, mit ihrem dritten Album “Damn The Torpedoes”, produziert von Jimmy Iovine (dem Mann hinter Patti Smiths “Horses”, Bruce Springsteens “The River”, John Lennons “Walls and Bridges”), buchte man Tom Petty & The Heartbreakers bereits in der “lebenden Rocklegenden-Klasse”. Petty selbst hatte deswegen gemischte Gefühle. Der Junge aus der Kleinstadt verabscheute die Großkotzigkeit des Rock-Business im sonnigen, drogenverseuchten Kalifornien. Als seine Plattenfirma MCA ihn ins Hochpreis-Segment verlegen-, seine LPs zum gleichen Preis verkaufen wollte, wie die von Steely Dan oder ELO, für einen Dollar mehr als normal, hielt Petty neues Material zurück, drohte, sein nächstes Album “$8.98” zu nennen. Viel später, 2002, auf “The Last DJ”, dem bisher letzten Album von Tom Petty & The Heartbreakers", rechnet er mit den Marketing-Strategien des Casting-Zeitalters ab: “My name is Joe / I´m the CEO / Go get me a kid / With a good looking face / Bring me a kid / {who} Can remember his place / Some hungry poet / Son of a bitch / He gets to be famous / I get to be rich.”
Dass es auch anders geht, zeigt Petty selbst: Ohne je bei “Pop-Idol” mitgemacht zu haben, hat er ´zig Grammys gewonnen, ist Rock´n´Roll Hall of Fame-Mitglied, auf dem Walk of Fame in Hollywood kann man seinen Stern besichtigen. Er hat sechzig Millionen Platten verkauft, landete 26 Top−10 Hits. Dafür schwang er die Rickenbacker mit den Heartbreakers, mit der Supergruppe Traveling Wilburys (bestehend aus Petty, Bob Dylan, George Harrison, Roy Orbison und Jeff Lynne von ELO), als Solokünstler und 2008 mit seiner wieder gegründeten ersten Band Mudcrutch. Er hat auf unzähligen Alben anderer mitgespielt, auf Johnny Cashs Grammy-Album “Unchained”. Aber nicht nur mit den üblichen Verdächtigen von Country, Folk und Rootsrock hat Petty gearbeitet. Mit Dave Stewart von Eurythmics schrieb er die psychedelische Single “Don´t Come Around Here No More”. Eine ganz spezielle Version von Pettys “Breakdown” spielte Grace Jones auf ihrem Album “Warm Leatherette” ein. Petty fand sie so gut, dass er Jones eine zusätzliche dritte Strophe schrieb. Weggefährte der ersten Stunde und entscheidend für Pettys Sound ist der Gitarrist Mike Campbell, der außerhalb der Heartbreakers Songs für Don Henley, Johnny Cash, Fleetwood Mac oder Brian Setzer von Stray Cats geschrieben hat. Das Texten hat Campbell dabei stets Petty überlassen. Die Bedeutung seiner Songs möchte der heute 59jährige dabei eher nicht erklären. “Wenn es zur Englisch-Stunde wird, ist es kein Rock´n´Roll mehr”, so Tom Petty. Das sollte er mal Sting erzählen.