Was bleibt, wenn sich der Traum erfüllt hat? Wie geht es weiter? Kommt dann automatisch ein neuer Traum? Was macht eine Band wie TONBANDGERÄT, wenn die Realität selbst die kühnsten Vorstellungen verblassen lässt? Wirklich niemand hat damit gerechnet, dass die tolle Zeit auch noch von einer Amerika-Tour gekrönt werden sollte. Aber langsam, drehen wir die Uhr noch mal kurz zurück.
Als TONBANDGERÄT noch ohne Album aber mit einem Plattenvertrag im Gepäck 2012 den New Music-Award gewinnen, gibt es die Band seit fünf Jahren. Die Besetzung ist seit 2010 dieselbe geblieben. Sophia Poppensieker spielt Gitarre und schreibt die Texte, ihre jüngere Schwester Isa spielt Bass; zusammen haben sie Sänger Ole Specht via Youtube und etwas später Schlagzeuger Jakob Sudau auf dem Schulhof rekrutiert. Praktisch zeitgleich mit dem Award erscheint ihre erste Single auf Universal, “Irgendwie anders”; kurz danach das erste Album, “Heute ist für immer”. TONBANDGERÄT bespielen Deutschland, fast flächendeckend. Dazu kommt eine märchenhafte Vielzahl faszinierender Festivals. Alles entwickelt sich prächtig. Mehr Konzerte. Mehr Festivals. Einen vorläufigen Höhepunkt erreicht die bisherige Band-Geschichte, als TONBANDGERÄT im März 2014 auf Einladung des Goethe Instituts einen Monat lang quer durch Amerika touren. Eine verrückte Reise ins Mutterland des Rock’n’Rolls, nicht ohne surreale Spitzen wie Fan-Gesänge und zweistündige Autogrammstunden. Sie reisen in einem Bus mit meterhohen Abbilder ihrer selbst, werden einerseits von Teenies mit selbstgemalten Schildern jubelnd empfangen und kommen andererseits abends nicht in irgendwelche Läden, weil ein deutscher Personalausweis in manchen amerikanischen Städten einfach nicht reicht. “Uns steht eine Reise bevor, von der wohl jede Schülerband im Keller ihrer Eltern weltweit mal träumt,” schreibt Sophia Anfangs auf dem Tour-Blog, um im letzten Eintrag das vorläufige Resümee zu ziehen: “Bevor wir losgefahren sind, meinte jemand zu mir, dass das die Reise unseres Leben werden wird und mittlerweile bezweifle ich nicht, dass das stimmt.”
Also: Wie geht es weiter, wenn sich der Traum erfüllt hat? Tja, sein wir ehrlich: Dann kommt früher oder später der “Make-or-break”-Moment. Back Home und plötzlich wirkt alles enger, muffiger, irgendwie wischiwaschi wie Routine. Entweder du machst jetzt weiter und wächst über dich hinaus, oder dir genügt, was du erlebt hast und du lässt es halt sein. TONBANDGERÄT geben nicht auf und begegnen dem Kater mit einem Frühjahrsputz. Mit der Anmietung neuer Räumlichkeiten ziehen sie direkt ins Zentrum des prallen Hamburger Lebens. Irgendwo in einer kleinen Seitenstraße des Schanzenviertels, hinter mehreren Türen, auf dem Hinterhof des Hinterhofs, baut sich die Band ein Haus im Haus. Nach all der Hektik und einem Vorgeschmack auf ein Dasein als Superstars erden sich die Vier beim Aus- und Umbau mit Heimwerker-Videos. Mit den neuen Böden stärken sie auch ihr Fundament als Band – die gemeinsame Arbeit an dem neuen Hauptquartier ist für alle Beteiligten eine Art Rückversicherung und Bekenntnis. Es geht weiter. Heute ist eben NICHT für immer. Es wird anders, aber das bedeutet ja nicht, dass das Neue nicht “mindestens genauso schön werden kann”, schreiben TONBANDGERÄT in den Linernotes ihres neuen Albums, “Wenn das Feuerwerk landet” – und wenn man das Album hört, weiß man, sie glauben daran. Auf ihrem, diesmal mit Wolfgang Stach, in den ehemaligen Kölner EMI-Studios aufgenommenen zweiten Album präsentiert sich die Band deutlich gereift. Noch vertrauter scheint das Zusammenspiel von Sophia und Ole. Die Rhythmusgruppe mit Isa am Bass und Jakob am Schlagzeug spielt zwingender, irgendwie “tighter”.
Der für TONBANDGERÄT “perfekte Sound” ist vor allem das Ergebnis einer mehr als sorgfältigen “Vorproduktion”. Im Grunde haben die Vier ihr neues Album zweimal gemacht. Wichtigster Erfüllungsgehilfe war beim ersten Mal nicht etwa ein Mensch, die neuen Räumlichkeiten oder irgendein dienstbarer Geist. Vielmehr wäre das alles nicht denkbar gewesen ohne einen Laptop. Das ist TONBANDGERÄT alles andere als peinlich, denn auch das ist Teil ihrer Offensive gegen die eigenen Dämonen. Also hat Sophia in ihrem Laptop nicht nur Gitarren geschichtet sondern ganze Songs gebaut. Die finalen Aufnahmen konnte man so gemeinsam schnell vollenden. Mit Stach hatten TONBANDGERÄT schon zuvor gearbeitet, für ihren Beitrag zum Bundesvision Contest, “Alles geht”, der zweite Song auf dem neuen Album und neben dem Fan-Favoriten “Ozean” eins der beiden “alten” Lieder. Der Rest des Materials ist neu und trägt die Handschrift von TONBANDGERÄT, die genau wussten, was sie wollten.
Es ist verlockend, sich “Wenn das Feuerwerk landet” in einer biographischen Spurensuche zu nähern – aber so einfach und eindeutig ist es eben nicht. Was dem einen der mittlere Westen ist, ist dem anderen die norddeutsche Tiefebene und das Wattenmeer. Ein schönes Beispiel ist die erste Single “Sekundenstill”, deren Worte sowohl einer Liebe als auch der Bandgeschichte gelten können. Ganz zu schweigen von den vielen anderen schönen Sätzen, Titeln und Refrainzeilen, die für sich isoliert ein neues Leben erhalten. Keiner würde sich wundern, wenn sie demnächst an jedem zweiten Laternenpfahl zwischen hier und St.Pauli kleben würden:
“Alles was du hast, ist nur gestreamt.” (”Jeden Weg”)
“Statt des Geldes geben wir lieber Leben aus.” (”Mauern aus Beton”)
“Weil aus Planierraupen niemals Schmetterlinge werden.” (“Der Fehler in mir”)
“In diesem Ring ist nur Platz für einen.” (”Schattenboxer”)
“Du fehlst hier. Du bist der Fehler in mir." (”Der Fehler in mir”)
Sätze wie abgeschlossene Romane, verpackt in kleinen Songs im klassischen Dreiminutenetwas-Format (okay, einer von insgesamt 13 hat knapp über vier Minuten aber), das ist schon verdammt nah dran, an der Perfektion … Wie gesagt: Es geht weiter, alles wird anders aber “mindestens genauso schön”, vielleicht ja auch noch besser – kann doch sein!
“Aus Träumen wurden Dinge, die wir einfach machten
Obwohl alle sagten, dass wir es niemals schaffen
Jetzt sind sie wahr ––– sekundenstill …”
Das neue Album „Wenn das Feuerwerk landet“: Ab dem 01.05.2015 im Handel.