Trans-Siberian Orchestra | Biografie

Biografie 2013

Als Paul O’Neill sein Trans-Siberian Orchestra (TSO) gründete, hatte er eine klare Vision vor Augen – und seine Ambitionen hätten größer kaum sein können: „Die Idee lautete, eine Progressive-Rockband zu gründen, die noch weiter gehen würde als jede andere Band zuvor aus diesem Genre“, berichtet O’Neill rückblickend. „Sie sollte also in die Fußstapfen von Emerson, Lake & Palmer, Pink Floyd, The Who & Co. treten – aber deren Ansatz eben noch viel, viel weiter treiben.“ 
Über 8 Millionen verkaufte Alben sprechen dabei für sich: TSO haben die Ziele von O’Neill längst verwirklicht und mehreren Generationen die Rock-Oper als musikalisches Format wieder schmackhaft gemacht. Insbesondere live zählen sie inzwischen zu den größten Acts der Welt, und so wurden sie vom Billboard Magazine erst kürzlich in die Liste der erfolgreichsten Live-Acts des letzten Jahrzehnts aufgenommen. Ihre alljährlich stattfindende Wintertour besticht mit einer atemberaubenden 20-Millionen-Dollar-Produktion; über 8 Millionen Menschen kamen seit der Gründung zu ihren Konzerten, für die Tickets im Wert von über 330 Millionen US-Dollar umgesetzt wurden.
O’Neills Vision für die kommenden Jahre ist eine einzigartige Kombination aus Theaterperformance, Storytelling, viel gebündeltem musikalischen Können und einer Produktion, die er insgesamt als „Rock-Theater“ bezeichnet: „Broadway ist da nicht das passende Wort, es ist halt eher ein Hybrid, also etwas ganz Einzigartiges“, so sein Kommentar. „Wenn die Leute zu einer unserer Shows kommen und die Halle betreten, dann lautet unser Auftrag, sie von dort aus an einen Ort zu transportieren, an den sie normalerweise niemals kommen würden – allenfalls im Traum vielleicht. Jedes unserer Konzerte soll wie so eine Art Reise funktionieren und bei den Anwesenden Gefühle wecken, die sie noch nie zuvor hatten. Und wenn man danach dann wieder auf die Straße tritt, soll man sich ein wenig entspannter, aber zugleich auch belebt und einfach besser auf den Alltag da draußen vorbereitet fühlen.“  
Nachdem sie jahrelang darauf hingearbeitet hatten, feierte ihr Rock-Theater im Jahr 2010 mit „Beethoven’s Last Night“ endlich Premiere: Die wirklich sämtliche Reize ansprechende Performance handelte vom letzten Abend, den letzten Stunden vor dem Tod des Komponisten, während Hardrock-, Klassik- und Broadwayeinflüsse zusammen mit Videoeinspielungen, Laser- und Pyroeffekten und massiver Lichtshow ein multimediales Spektakel garantierten. 2011 kamen TSO mit besagter Show erstmals nach Europa und präsentierten ihr einzigartiges Musical-Mix beispielsweise auch in Berlin, Wien, Amsterdam und London.
Obwohl allein rund 200 Auftritte in den kommenden 12 Monaten anstehen, arbeitet O’Neill parallel stets an mehreren Projekten: Momentan ist die Band im Studio und nimmt mit „Gutter Ballet“ ein neues Album auf. Zusammen mit dem Sender PBS entstand zudem erst kürzlich das TV-Spezial „The Birth of Rock Theater“, in dem TSO erstmals ihre unvergleichliche Show mitfilmen ließen. Und dann wären da noch die beiden Graphic-Novels, die dieser Tage zusammen mit dem renommierten Illustratoren Greg Hildebrandt entstehen – wobei die Liste der geplanten Multimedia-Projekte von TSO dort noch längst nicht aufhört…
Der gebürtige New Yorker O’Neill, laut eigener Aussage „mit einer unglaublichen Bandbreite musikalischer Einflüsse“ aufgewachsen, knüpft dabei nicht nur an das Erbe der bereits erwähnten Rock-Ikonen an. Schließlich wuchs er zugleich mit Broadway-Musicals auf, mit Motown-Releases oder dem Werk von Singer/Songwritern wie Jim Croce und Harry Chapin, während er sich immer schon zu den Erzählungen von Autoren wie Oscar Wilde und Robert Graves hingezogen fühlte. Seine Karriere begann er als Gitarrist: Er ging mit Musicalproduktionen wie „Jesus Christ Superstar“ oder „Hair“ auf Tour, um in den späten Siebzigern bei Leber-Krebs Inc. anzuheuern, einer Management-Firma aus Manhattan, die sich in jenen Tagen um Künstler wie Aerosmith, Ted Nugent, AC/DC, Def Leppard, The Scorpions, The New York Dolls und diverse andere Größen kümmerte. Während der Achtziger arbeitete er z.B. auch in Japan erfolgreich als Promoter, kehrte dann jedoch in die Staaten zurück, um sich voll und ganz auf das Produzieren und die eigene Musik zu konzentrieren.
O’Neill produzierte unter anderem „Classics Live I“ und „Classics Live II“ von Aerosmith, um danach eine äußerst fruchtbare Beziehung mit der Band Savatage einzugehen, was zu Prog-Rock-Meilensteinen wie „Hall of the Mountain King“, „Gutter Ballet“, „Streets: A Rock Opera“ und „Dead Winter Dead“ führte. Zugleich lernte er darüber Jon Oliva, Bob Kinkel und Al Pitrelli kennen und kam erneut mit Toningenieur-Legende Dave Wittman in Kontakt, die allesamt später bei der Umsetzung seiner großen Vision vom Trans-Siberian Orchestra beteiligt sein sollten.
„Mein Plan lautete, nur die besten Elemente aus all den unterschiedlichen Genres zu nehmen, mit denen ich aufgewachsen bin, und daraus einen komplett neuen Style zu kreieren“, erinnert sich O’Neill. „Im Grunde genommen habe ich also einfach auf allem aufgebaut, was mir heilig war: Die Rockopern-Anflüge, die man bei The Who zum Teil finden konnte, dazu die Verbindung von Klassik und Rock, wie Emerson, Lake & Palmer, Yes oder auch Queen es vorgemacht hatten; und schließlich noch die unfassbare Lightshow von Pink Floyd… ich wollte immer schon eine richtige Rockoper machen mit kompletter Prog-Band und mindestens 24 Sängern auf der Bühne.“
Er klopfte daraufhin mit seiner Vision bei Atlantic Records an, und da war man zu seiner Überraschung äußerst angetan von der Idee: Ein erster Vorschuss führte zur Aufnahme von „Romanov (When Kings Must Whisper)“, was ursprünglich als Debüt von TSO erscheinen sollte. „Wir hatten echt Glück“, meint O’Neill, „schließlich waren wir bei einem der wenigen Labels gelandet, das noch ganz klassisch darauf setzte, neue Künstler aufzubauen. Mein Plan lautete nun: Wir machen sechs Rockopern, eine Trilogie zum Thema Weihnachten und dazu vielleicht noch ein bis zwei reguläre Alben.“
Als „Romanov“ zwischenzeitlich doch erst mal auf Eis gelegt worden war, sollte der erste Teil der geplanten Weihnachts-Trilogie, „Christmas Eve and Other Stories“, schließlich als Debüt der Band erscheinen – und TSO schlagartig bekannt machen: Angeschoben von der politisch angehauchten ersten Single „Christmas Eve/Sarajevo 12/24“ wurde es binnen kürzester Zeit gleich zweifach mit Platin ausgezeichnet. Doch war das nur der Anfang einer regelrechten Platinserie: „The Christmas Attic“ von 1998 und der Abschluss der Trilogie, „The Lost Christmas Eve“, bescherten der Band weiteres Edelmetall, während zwischendurch noch ein zusätzliches Album (ohne Weihnachtsbezug) erschienen war: „Beethoven’s Last Night“, was noch mehr Gold an der Wand bedeutete.
Das zuletzt veröffentlichte „Night Castle“-Album stieg direkt auf Platz 5 in die US-amerikanischen Billboard-Charts ein (nach nur 8 Wochen war es vergoldet), und wieder einmal hatte O’Neill seine ursprüngliche Version perfekt vertont: Das Doppelalbum brachte nicht nur die unterschiedlichsten Genres zusammen, sondern erzählte zugleich eine episch angelegte Geschichte, die den Zuhörer nicht nur auf eine Reise um die Welt, sondern komplett durch Zeit und Raum katapultierte. Auch eine Live-Umsetzung des Albums ist schon länger in Planung, denn die Bühne ist schließlich derjenige Ort, wo TSO ihre größten Erfolge feiern konnten: Schon 1999 ging’s los mit der ersten von vielen Wintertourneen (November-Dezember in der Regel), und O’Neill erzählt stolz, dass „schon die erste Show so massiv und umwerfend und krass war, wie es nur irgend ging“.
„Wir haben zwei Bühnen – jeweils mit Pyro-Effekten, Lichtshow und Lasern – an beiden Enden des Stadions, dazu auch mitten im Publikum und den bestmöglichen Sound überhaupt. Es gibt also keine schlechten Sitzplätze, wenn man sich eine Show vom Trans-Siberian Orchestra anschaut. Ich will damit sicherstellen, dass jeder einzelne Zuschauer vollkommen sprachlos die Arena verlässt und kaum fassen kann, was er oder sie da gerade erlebt hat.“
„Es stimmt, wir haben schon sehr viel Zeit in die Planung investiert“, gesteht er und lacht. „Und ich höre permanent von allen Seiten: ‘Paul, nun hör endlich auf mit dem Komponieren und mach mal mehr Aufnahmen!’ Aber es läuft doch alles super so. Ich bin sehr dankbar dafür, wie lange wir nun schon dabei sind, und dass wir unsere Vision zu unserem Beruf machen konnten. Die Kunst, ganz gleich welcher Art, hat sehr viel Einfluss auf die Menschen, und das bringt natürlich auch Verantwortung mit sich. Mir hat mal jemand gesagt, wenn du die Welt verändern willst, vergiss die Politik: Schreib stattdessen lieber ein Buch! Oder schreib einen großartigen Song! Daran glaube ich, und darum geht’s mir auch beim Trans-Siberian Orchestra“, sagt O’Neill abschließend.
„Wir sind eine Gruppe, eine sich stets wandelnde Gruppe von Kreativköpfen, die zusammen die Latte immer noch ein Stückchen höher legen wollen, und das in jeder Hinsicht: An welchen neuen Ort man die Leute noch transportieren kann – mit der Musik, mit den Visuals, mit den Stimmungen, die kreiert werden –, darum geht’s. Wenn das deine Maxime ist, sind den kreativen Möglichkeiten wirklich keinerlei Grenzen gesetzt.“
 
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