Die spirituelle Sinnsuche als Ausweg aus dem dekadenten Musikerleben, unzählige begaben sich auf diesen Weg: John und Alice Coltrane, die Beatles, Sting. Würden die hierzulande faden Zeugen Jehovas einmal ein Konzert mit allen bei ihnen eingetragenen Stars veranstalten – mit Larry Graham und Prince, George Benson und Ja Rule, Slade-Gitarrist Dave Hill, Patti Smith und Michael Jackson (obwohl, der fiel ja vom Glauben ab), nicht zu vergessen Geri Halliwell – das käme locker an Live-Aid oder Live 8 heran. Van Morrison, spiritueller Einzelkämpfer, entkam dagegen im Alleingang den Abgründen seiner Biografie, mit einer unkonventionellen Serie von Alben. Seine Mutter war mal eine Hobby-Zeugin Jehovas. Angeblich stürzte der plötzliche Tod seines Vaters Morrison in eine tiefe Sinnkrise. Seine LPs der 1980er zeigen den begnadeten Musiker im spirituellen Aufbruch. Zu Anfang der Dekade war der Ire von den USA nach London gezogen, lebte eine Weile in Notting Hill, bevor er ein Studio in Bath kaufte und sich dort niederließ. Hier entstanden Demos von “Inarticulate Speech Of The Heart”. Das Album spielte Morrison danach in Kalifornien, in Dublin und in einzelnen Marathonsessions in London ein. Der damals 37jährige ist dort als Sänger und an Gitarre, Piano und Altsaxofon zu hören. Mit einer durchgehenden “Drone”-artigen Brummstimmung wirft er die Herzchakren seiner Hörer an. Einen klaren New Age-Touch bringt der Keyboarder Mark Isham, der auch mit Taj Mahal und David Sylvian arbeitete, in den Mix. Isham ist ein überzeugter Anhänger von Scientology, und auch Morrison war in den frühen 80ern kurze Zeit dort Mitglied, was ihn wohl dazu brachte, die Original-LP mit einer kompromittierenden Widmung an den Sektengründer L. Ron Hubbard zu versehen. Wenige Monate nach Veröffentlichung des Albums wandte sich Morrison von Scientology ab. Auf der vorliegenden Wiederveröffentlichung von “Inarticulate Speech Of The Heart” wurde die Widmung entfernt, wirklich aufgewertet hat sie den Longplayer natürlich nie. Das Album nehme einen mit “in die tiefsten Tiefen von Morrisons abtrünnigem irischen Soul”, schreibt Richard Ginell auf AllMusic. Die Stimmung sei vorwiegend sanft, aber nie schlaff und selbstzufrieden, ein durchgehender Schimmer bestimme die elf Songs, vier von ihnen Instrumentals. Große Teile des Albums passen in den Kontext der New Age-Oeuvres von Vangelis oder sogar von Osho-Musikanten wie Parijat oder Prem Joshua, befinden sich gar an der Grenze zur Vinyasa-Yoga-Beschallung. Das musikalische Schwergewicht Morrison gibt seinen flirrenden, sphärischen, seligen, suchenden Stücken dabei noch genug Substanz, um sie vor der Beliebigkeit zu retten. "Mit dem luftigen Regen seiner Keyboards und dem warmherzigen Gospel seines Background-Chors, versucht “Inarticulate Speech Of The Heart” die Gefühle zu vertonen, für die es keine Worte mehr gibt", schrieb der “Rolling Stone” 1983, bei Veröffentlichung des Albums. Die von den Analogbändern im 96k/24bit-Verfahren remasterte CD-Neuauflage enthält bisher unveröffentlichte Alternate Takes von “Cry For Home” und des Titeltracks.