Album: Servant Of The Mind
VÖ: 03.12.21
Bereits zwei Dekaden an Rock’n’Roll-Karriere haben Volbeat hinter sich. Während dieser Zeit teilten sie die Bühne mit Genrelegenden wie Black Sabbath, Metallica, Motörhead, Slipknot, Megadeth und Anthrax, Volbeat-Songs wurden fast drei Milliarden Mal gestreamt, außerdem konnte die Band eine Grammy-Nominierung für „Best Metal Performance“ einstreichen für das Stück „Room 24 (feat. King Diamond)“ vom hochgelobten (und in den USA mit Gold veredelten) Album Outlaw Gentlemen & Shady Ladies, ganz zu schweigen von mehreren dänischen Musikpreisen.
So viel steht fest: Volbeat müssen mittlerweile nichts mehr beweisen.
Trotzdem setzt die Band auf dem achten Album Servant of the Mind noch einen drauf bei ihrem ureigenen Sound aus Heavy Metal, Psychobilly und Punk’n’Roll, der sie zu dem gemacht hat, was sie heute sind. So rauschte die erste Single „Wait A Minute My Girl“, geschrieben von Frontmann Michael Poulsen als Liebeslied für seine Verlobte, ziemlich flott auf Platz eins der Billboard Mainstream Rock Airplay-Charts und blieb dort gleich drei Wochen. Damit verbuchen Volbeat nicht nur ihre neunte Nummer eins in dieser Rangliste, sondern setzen auch einen Rekord: Keine andere nicht-nordamerikanische Band konnte jemals so oft diese Spitzenposition erreichen.
In vielen der neuen Lieder erzählen Volbeat aufwändige und faszinierende Geschichten: „The Sacred Stones“ etwa berichtet von einem „irdischen Wesen, das sich der dunklen Seite hingegeben hat. Es folgt nun einer Mission und kommt mit düsteren Kräften und gefallenen Engeln in Berührung.“ In „Shotgun Blues“ schildert Poulsen geisterhafte Erlebnisse beim Einzug in ein neues Zuhause: „Jedes Mal, wenn man in ein Haus einzieht, bringt man tote Menschen mit sich“, erklärt er. „Mir passiert da mitunter echt sonderbares Zeug… nicht ganz von dieser Welt.“
Das Stück „The Devil Rages“ behandelt die Idee, dass der Teufel eine menschliche Gestalt annimmt. Die Eröffnungsnummer „Temple of Ekur“ wiederum kehrt zu den antiken Themen zurück, die bereits in früheren Songs wie „The Gates of Babylon“ vorkamen, während „Lasse’s Birgitta“, der epische Schluss der Platte, von den ersten Hexenverbrennungen in Schweden im Jahr 1471 berichtet.
Eine kleine Verschnaufpause erlaubt “Dagen Før”, dessen Vocals sich Poulsen mit Stine Bramsen teilt, einer dänischen Solokünstlerin und Sängerin der Pop-Band Alphabeat. In der Tradition von Klassikern wie “The Garden’s Tale”, “Maybellene I Hofteholder” und “For Evigt” nutzen Volbeat hier neben Englisch auch ihre Muttersprache, zudem ist Stine zum ersten Mal auf einer kommerziellen Veröffentlichung auf Dänisch zu hören. Übersetzt heißt der Titel übrigens „Der Tag davor“.
„Ich habe die ganze Platte in drei Monaten geschrieben“, berichtet Poulsen. Dass sich die gesamte Entstehung eines Volbeat-Albums üblicherweise über zwei Jahre hinzieht, liegt zum einen an den ausführlichen Touren durch alle Welt, zum anderen an Familien, am Alltag und den ganzen anderen Ablenkungen, die das Leben bereithält. Doch diesmal kam der Sänger und Gitarrist schneller voran, schneller sogar als in den Anfangstagen der Band. Musik und Worte floßen nur so aus ihm heraus. „Mir ging es gut zu Hause, ich hatte beste Laune, mein Publikum war ich selbst“.
Abgeschiedenheit und viel freie Zeit können also etwas sehr Gutes sein – aber gleichzeitig auch schwierig werden: Volbeat sahen sich gezwungen, das Material von Servant of the Mind während des COVID−19-Shutdowns fertigzustellen. Natürlich sind das Umstände, mit denen sich alle Bands arrangieren mussten, was einige Alben für immer mit dieser Zeit verbinden wird. Doch das dänisch-amerikanische Quartett nutzte den Rückzug und die inaktive Zeit bewusst, um den Songwritingprozess voranzutreiben.
„Mutter Natur sorgte dafür, dass sich alle mal hinsetzen und benehmen, damit wir rausfinden, ob wir dieses Pandemie-Monster aus der Welt schaffen können“, erinnert sich Poulsen an die Phase, in der Volbeat über ihre nächsten Schritte nachdachten. „Ich fragte mich wirklich, was zum Teufel ich jetzt machen sollte. Natürlich einfach ein neues Album schreiben, oder?“ So sehr dieser Gedanke anfangs auch zur Hälfte ein Scherz gewesen sein mag, so schnell wurde dem Frontmann klar: Wann, wenn nicht jetzt?
Allerdings lief der kreative Prozess während der pandemiebedingten Auszeit signifikant anders: keine Riffs schmieden auf Tour, kein Songwriting zwischendurch im Hotelzimmer oder im Bus, wenn die Maschine läuft und läuft. Dafür konnte der Däne sein neues Material besser überblicken und in einen großen Zusammenhang bringen.
„Man muss nur mal an die ganze Energie denken, die man auf Tour und auf der Bühne aufbringt“, erklärt er. „Man lässt das alles raus, kommt nach Hause und schreibt dann Lieder – doch die Energie der Shows ist weg, man arbeitet anders. Diesmal wusste ich gar nicht wohin mit dem ganzen aufgestauten Schwung! Ich bin morgens gelaufen, saß auf dem Fahrrad und trainierte viel, aber es musste trotzdem raus.“ Alle überschüssigen Ressourcen flossen in das neue Material.
Inspiration kam dabei von innen und außen. So hörte sich Poulsen Interviews an, die er für den Podcast Hvem et Volbeat von P3 Radio Denmark zur Geschichte der Band gegeben hatte. Außerdem griff er wieder zu alten Schätzchen seiner Plattensammlung. „Das tue ich zwar ständig, aber nach den Podcast-Interviews fühlten sich manche Alben an, als würde ich sie zum ersten Mal hören. Das wirkte wie damals, als ich mit dem Gitarrespielen anfing und gespannt war, was dabei rauskommen würde. Das neue Material floss einfach so aus mir heraus, ich konnte mich gar nicht zurückhalten.“
Natürlich wissen Poulsen und seine Band, dass ihr neues Werk in gewisser Weise ein Produkt der Zeit, der Epidemie ist. Doch es ist gleichzeitig voll und ganz Volbeat im Jahr 2021. „Ich glaube nicht, dass die Scheibe so klingen würde ohne die Pandemie“, gibt der Sänger zu. „In den neuen Songs findet sich allerdings viel von dem, was Volbeat schon immer ausgemacht hat. Wer das allererste Album mit dem vergleicht, wo wir jetzt stehen, der hört, wie die Band ihren Stil weiterentwickelt und sich gleichzeitig ihren ‚signature sound‘ erhalten hat.“
Eines macht ihn zudem stolz, und das völlig zu Recht: An der Qualität des Songwritings bei Volbeat gibt es nichts zu rütteln. Längst geht es um viel mehr als um einen Haufen Riffs mit Vocals, es gibt mehr Tiefe, mehr Substanz, mehr Charakter. Es kommt schließlich nicht von ungefähr, dass man schon nach den ersten Akkorden oder dem Einsetzen von Poulsen markanter Stimme weiß: Das sind Volbeat.
Der Chef sieht zudem einen Unterschied zum letzten Werk: Rewind, Replay, Rebound von 2019 steckt randvoll mit stadiongroßen Hooklines und Refrains, die Schicht um Schicht hochgezogen wurden. Diese Periode beschreibt Poulsen als „anstrengend, aber lohnend“, denn „man muss diese Route beschreiten, um herauszufinden, wie weit man damit kommt. Ich bin sehr stolz darauf.“
Doch das war früher: Servant of the Mind konnte der Songwriter lockerer angehen. Deshalb klingt die Platte auch aufgeräumter, knackiger. Schlussendlich haben Volbeat einen Schritt zurück getan, um einen gewaltigen Satz nach vorne zu machen. Was als nächstes kommt, spielt erstmal keine Rolle. Jetzt gilt es, sich voll und ganz auf Servant of the Mind einzulassen.
Michael Poulsen: Gesang & Gitarre
Jon Larsen: Drums
Rob Caggiano: Leadgitarre
Kaspar Boye Larsen: Bass