So ein kleines Kaff, in dem man sich notgedrungen zusammenraufen muss, ist nicht selten der ideale Nährboden für besonders innige Freundschaften – und Walking on Cars sind da keine Ausnahme: Diese fünf Schulfreunde, allesamt in dem kleinen Küstenort Dingle im Südwesten Irlands geboren und aufgewachsen, sind wirklich unglaublich dicke und sie machen so viel Krach und Radau wie eine chaotische Großfamilie, wenn sie sich in den Armen liegen und lautstark dafür kämpfen, sich noch mehr Gehör zu verschaffen. Was mit Songwriting-Sessions im “allertrostlosesten Winter”, den sie je erlebt hatten, begann – vollkommen isoliert, blieb ihnen laut eigener Aussage nichts anderes übrig, als die Köpfe zusammenzustecken und kreativ zu werden –, führte schon bald zu ersten Tour-Abstechern durch ihr Heimatland, was ihnen wiederum mächtig Auf- und Rückenwind bescherte: Mit zwei Top−30- und einem iTunes-Hit in der Heimat, sind Walking on Cars binnen kürzester Zeit zu Irlands erfolgreichster Indie-Band avanciert.
Wo ihre bescheidenen Wurzeln liegen, kann man in Stücken wie “Tick Tock”, “Always Be With You” und “Catch Me If You Can” deutlich heraushören, genau wie diese Art von Vertrautheit und Nähe, die nur allerbeste und alte Freunde miteinander verbindet. Wie dicke diese Clique tatsächlich ist, merkt man auch dann sofort, wenn man ihnen persönlich begegnet: Man wird dann das Gefühl nicht los, sie bei einem schier endlosen Schlagabtausch zu belauschen, der zu gleichen Teilen aus verarschend gemeinten Sticheleien und liebevoller Zankerei besteht. Um das alles etwas genauer zu illustrieren, hier ihre Antworten auf die Frage, wann und wie sie denn genau die Band gegründet haben. Paul: “Ich, Dan und Evan sind seit wir 12 sind zusammen in einer Band, das fing in der Schule an.” Patrick: “Und ich war mit Dans kleinem Bruder in einer Band.” Sorcha: “Mein kleiner Bruder war ebenfalls Teil dieser Band.” Patrick: “Ich hab dann Sorcha angerufen, weil ich wusste, dass sie Klavier spielt. Wir schrieben bald danach erste gemeinsame Songs, und dann dachten wir irgendwann: ‘Wir müssen da noch mehr Leute einbeziehen.’ Ich spielte damals Akustikgitarre, aber dann kam Paul dazu und er übernahm diesen Part. Was auch für Sorchas Bruder galt. Schließlich wurde uns klar, dass wir ein Problem hatten.” Dan: “Ich war gerade in Australien, ich hatte einen Job in Sydney. Und dann machten die anderen einen Post bei Facebook, mit dem sie sich nach einem neuen Gitarristen umschauten. Ich dachte mir damals nur: ‘Nun, was will ich eigentlich mit meinem Leben anfangen?’ Ich fasste den Entschluss, nach Hause zurückzukehren, also schickte ich Paul eine Message und sagte darin, dass ich es gerne mal versuchen würde.”
Was für ein grandioses Chaos entstehen kann, wenn so ein fünfköpfiger, eingeschworener Haufen loslegt, dürfte damit ersichtlich werden. Wichtig ist, wie stark ihre Bindung zueinander ist und wie sehr sie ihre kleine Heimatstadt lieben – in der jedes Jahr das Other Voices Music Festival stattfindet (und in deren Hafenbucht ein freundlicher Delfin namens Fungie lebt, den selbst Pierce Brosnan schon besucht haben soll): “Dieser Ort ist so ein wichtiger Teil unserer Identität”, meint Dan, “und ich glaube, dass die Richtung, die unsere Musik genommen hat, sehr stark von diesem Umfeld abhängt, in dem wir leben – und überhaupt davon, wie wir diese ganze Sache angehen.” “Wir alle hängen mit denselben Leuten ab”, ergänzt Sorcha, “wir alle haben dieselben Freunde. Wir haben das Glück, viel reisen zu können, aber ein noch größeres Glück ist es, dass wir jedes Mal an einen Ort wie diesen zurückkehren können. Dazu kommt, dass wir auch einfach hierbleiben und unser Ding machen können, obwohl sonst natürlich die meisten Leute in unserem Alter wegziehen müssen, weil sie hier einfach keinen Job finden.” “Im Winter kann es allerdings schon etwas hart sein hier”, meint Paul. “Dann ist einfach kein Mensch hier. Ich weiß noch wie ich früher, als ich jünger war, im Winter mit diesen ganzen Alten im Pub gesessen und gedacht habe: ‘Ich muss hier verdammt noch mal weg!’”
Die ersten Proben fanden in der Küche bei Paul statt, “wobei das nicht besonders gut für unsere Gesundheit war”, wie er glucksend ergänzt. “Also haben wir uns mitten im Nirgendwo ein Haus gemietet.” “Und wir hatten kein Auto oder so”, fällt ihm Sorcha ins Wort, “was bedeutete: Wenn wir erst mal da waren, mussten wir in der Regel gleich ein paar Tage dort bleiben.” “Internet gab’s auch nicht”, berichtet ein nostalgischer Paul, “kein Handynetz, sondern einfach nur ganz, ganz viele Instrumente, ein paar Mikrofone und uns fünf. Das Kochen haben wir abwechselnd erledigt.” “Wir stehen nun mal auf alte Bauernhäuser; je abgeschiedener sie sind, desto besser”, sagt Paul. “In der Stadt wäre man so oder so viel zu vielen Ablenkungen ausgesetzt. So à la: ‘Äh, also, ich geh nur mal kurz runter zum Laden an der Ecke’ – und dann so drei, vier Bier später…”
Bewaffnet mit Texten, die alles von Zärtlichkeit bis Schmerz abdecken, Klangwelten, die eben noch ganz verhalten und sanft wirken, um schon im nächsten Moment aufzubrechen und in allen Farben der Welt zu explodieren, und Vocals, die vor lauter Leidenschaft, Herzschmerz und Verlangen an den Rande des Kontrollverlusts zu kommen scheinen, zogen Walking On Cars schließlich also los in die Welt: Sie mussten als nächsten Schritt ihr Probedomizil verlassen, ins kalte Wasser springen und schauen, ob es auch ein Publikum für ihre Kompositionen gab. “Ich hab mich selbst ehrlich gesagt nie als Leadsänger gesehen”, erzählt Patrick. “Ich bin schließlich ziemlich schüchtern und halte mich irgendwie auch ganz gerne versteckt im Hintergrund auf. Mir war ja gar nicht klar, dass die Rolle des Sängers so viel Aufmerksamkeit auf mich lenken würde.” (Ein fast schon absurder Grad von Bescheidenheit, den Patrick da an den Tag legt: Er ist genau genommen ein messianischer Frontmann, der sich mit offenen Armen und voller Wucht in den Abgrund vor seinen Füßen stürzt und die ganze Band dabei mitreißt.) Und wie nicht anders zu erwarten, sieht Paul die Sache mit den Konzerten komplett anders: “Bei mir ist das so, dass ich manchmal irgendetwas auf der Bühne sage und gleich danach denke: ‘Was um Himmels Willen kommt da bitte aus meinem Mund? Spiel irgendwas! Los, Leute, bitte rettet mich!’” Sorcha muss sich nach diesem Kommentar erst wieder einkriegen und berichtet dann: “Meine Eltern spielen beide Dudelsack, und ich habe als Kind klassisches Klavier gelernt. Als es dann losging mit der Band, hatte ich zunächst keinen blassen Schimmer, was ich da überhaupt machen sollte: Ich musste wirklich erst mal lernen, rhythmische Sachen zu spielen, die weniger kompliziert waren – und wenn man live spielt, ist das sogar noch wichtiger. Wir haben echt viel erlebt in den letzten zwei Jahren, haben ein paar fantastische Shows gespielt, wobei auch ein paar nicht so tolle Abende dabei waren. Die kleinen Radiosender in Irland haben uns wahnsinnig geholfen, sie haben sich wirklich hinter uns gestellt. Und jetzt fühlt es sich so an, als würden wir noch einmal ganz von vorne anfangen. Nur haben wir natürlich im Rahmen der ganzen Konzerte in Irland schon einiges an Erfahrungen sammeln können.”
“Das Ziel lautete ja immer, so viele Fans wie möglich für unsere Musik zu begeistern”, berichtet Sorcha weiterhin. “Also so viele Konzerte wie möglich zu spielen und in erster Linie den Fans etwas zu bieten. Und so kam es dann auch: Die Konzerte wurden größer und größer, die Fanbase auch, und überhaupt wurden immer mehr Leute hellhörig.” “Zwei Jahre lang sind wir durch Irland gezogen”, ergänzt Evan, “und ab einem gewissen Punkt waren die Shows dann ausverkauft und wir landeten erste Hits. Und das lief alles ganz ohne Label, ohne Presseleute; wir haben das alles komplett im Alleingang gemacht. Das einzige Ziel lautete, genügend Geld anzusparen, damit wir endlich unser Album aufnehmen konnten.” Paul bringt es auf den Punkt: “Wir haben uns wirklich nicht darum bemüht, einen Plattenvertrag zu landen. Wir haben einfach unser Ding gemacht und uns gesagt: ‘Sollen die doch an uns herantreten.’”
Und tatsächlich klopften die Labels gleich reihenweise bei ihnen an, wobei sich Virgin EMI schließlich im Jahr 2014 den Zuschlag sicherte. Die seither veröffentlichten Singles “Catch Me If You Can” und “Two Stones” stiegen beide in die irischen Top−30 ein, wobei erstere in ihrer Heimat sogar Platz eins der iTunes-Charts belegte. Auch die EPs “As We Fly South” und “Hand In Hand” schossen in den iTunes-Charts nach oben, woraufhin sich die Band zusammen mit dem MyRiot-Produzententeam (Tim Bran, Roy Kerr), bekannt für seine Arbeit mit London Grammar und Richard Ashcroft, wieder ins Studio begab, um die Arbeit am kommenden Debütalbum zu beginnen.
Schon Ende 2014 war ihre Fangemeinde dermaßen groß, dass sie im Dezember des Jahres die INEC Arena in Killarney als Headliner ausverkauften, um gleich danach noch beim Other Voices Festival aufzutreten und zusammen mit Kodaline beim Dublin’s College Green zu Silvester zu spielen. Letztes Jahr folgten eine gefeierte UK-Tour mit The Kooks, und nach diversen ausverkauften Shows in London – unter anderem im The Scala und dem Electric Ballroom – füllen sie daheim weiterhin die allergrößten Hallen: Erst im Oktober 2915 standen zwei ausverkaufte Abende im Olympia Theatre in Dublin auf dem Programm.
Nachdem sie im November 2015 mit “Speeding Cars” einen weiteren Vorgeschmack veröffentlicht haben, starten Walking On Cars nun mit Vollgas ins neue Jahr: Ihr Debüt-Album “Everything This Way” erscheint am 25. März 2016.