“Als wir Kinder waren, ließen uns unsere Eltern den ganzen Tag draußen spielen”, verriet Wayne Shorter vor zwei Jahren dem britischen Telegraph. “Durch unsere Straße fuhr täglich ein Milchwagen, der von einem Pferd gezogen wurde. In meiner Phantasie wurde er zu allem Erdenklichen, etwa zu einem Raumschiff. Wenn meine Eltern nach Hause kamen, fragten sie immer: ‘Was hast du heute gemacht?’ Und ich antwortete: ‘Nix.’ Wenn ich heute Musik mache, versuche ich immer noch dasselbe ‘nix’ zu machen.”
Dieses “nix machen” ist bei Shorter natürlich ein Synonym dafür, seine überbordende Phantasie einfach wandern, oder besser noch: mäandern zu lassen. Musikalisch tut Wayne Shorter, der am 25. August seinen 85. Geburstag feiert, dies nun schon seit über sechzig Jahren professionell. Zuerst als intellektueller Jungspund in einer der besten Ausgaben von Art Blakeys Jazz Messengers, danach als tonangebendes Mitglied des legendären zweiten Miles Davis Quintet, später dann als zurückhaltender Co-Leader der Jazzfusion-Pioniere von Weather Report und natürlich über all diese Jahre hinweg auch als brillanter Solokünstler. Immer wieder arbeitete er auch erfolgreich mit Pop- und Rockgrößen wie Joni Mitchell, den Rolling Stones, Carlos Santana, Steely Dan und der Brasil-Ikone Milton Nascimento zusammen. Von Anfang an tat sich Shorter dabei nicht nur als hervorragender Saxophonist mit einer ganz eigenen Stimme und als absoluter Meister der Improvisation hervor, sondern auch als Autor vieler zeitloser Kompositionen. Dennoch umweht ihn bis heute ein Hauch von Rätselhaftigkeit, der ihm den Ruf einbrachte, die “Sphinx des Jazz” zu sein.
Und diesem Ruf wird der Saxophonist, der letztes Jahr mit dem Polar Music Prize (auch bekannt als Nobelpreis für Musik) ausgezeichnet wurde, auf seinem im September erscheinenden epischen neuen Album (dem ersten in fünf Jahren!) gerechter denn je zuvor. Unter dem Titel “Emanon” kam es dabei zu einer außergewöhnlichen intradisziplinären Zusammenarbeit mit dem schwarzen Graphic-Novel-Zeichner Randy DuBurke (u.a. “Malcolm X” und “Deadwood Dick”). “Es ist ein Science-Fiction-Werk über das Multiversum”, beschreibt Shorter sein neues Magnum Opus, das in zwei Varianten erhältlich sein wird: als 3-CD-Set + Graphic Novel ab dem 14. September und als fulminante Box mit zusätzlich drei LPs ab dem 28. September. Die Sets sind streng limitiert, die enthaltene Musik wird nicht digital erhältlich sein.