Elīna Garanča | News | Booklettext: Elīna Garanča - Live from Salzburg - 3.12.2021 (VÖ) (DE/EN)

Elīna Garanča
Elīna Garanča

Booklettext: Elīna Garanča – Live from Salzburg – 3.12.2021 (VÖ) (DE/EN)

05.11.2021
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ÜBER MUSIK NACH DER STILLE UND DEN GLEICHKLANG DER HERZEN
ELĪNA GARANČA LIVE BEI DEN SALZBURGER FESTSPIELEN
ZWEI AUSNAHMEKONZERTE IN ZEITEN DER PANDEMIE
Was macht ihn aus, den Zauber des Live-Konzerts? Woraus erwachsen seine Kraft, sein Glanz und seine Intensität? Die beiden Konzerte, die auf diesem Album dokumentiert sind, geben eine Antwort auf diese Fragen und haben nicht nur aufgrund ihrer außerordentlichen Qualität Geschichte geschrieben. Hinzu kam, dass sie in einer Zeit stattfanden, in der die Darbietung vor Publikum keineswegs selbstverständlich und die Live-Musik wenige Monate zuvor jäh verstummt war.
Salzburg im August 2020. Die vergangenen Monate wurde die Welt von der Corona- Pandemie gebeutelt und kaum eine Szene hat es stärker und schmerzhafter getroffen als die Kulturbranche. Nach der plötzlichen Zwangspause im Frühjahr sehnen Künstler und Publikum gleichermaßen das Konzertleben herbei und jene magische Begegnung zwischen Bühne und Zuschauerreihen, die kein Tonträger und keine digitale Übertragung zu ersetzen vermag. Gleichzeitig ist die Sorge groß angesichts der unklaren weiteren Entwicklung und der daraus folgenden Planungsunsicherheit. Die Salzburger Festspiele setzen in eben dieser Situation ein mutiges Zeichen: Sie wagen wieder Live-Konzerte, wenn auch unter enormen Sicherheitsvorkehrungen. So bestimmt eine Mischung aus vorsichtiger Euphorie und erhöhter Wachsamkeit die Atmosphäre beim Konzertabend mit Elīna Garanča im Festspielhaus. Die Zuschauerzahl ist deutlich reduziert, der Einlass wird nur mit personalisiertem Ticket gewährt, die Maske im Gesicht ist zwingend, die Zuschauer sitzen schachbrettartig verteilt auf Abstand zueinander. Es ist eine befremdliche Grundsituation, die kaum etwas gemein hat mit dem unbeschwerten Konzertbesuch von einst. Umso überwältigender ist jener Moment, in dem das Vertraute zurückkehrt, die Musiker auf die Bühne gehen und sich eben das ereignet, was so schmerzlich fehlte: Musik, live interpretiert, unmittelbar erlebt und durchfühlt. In diese Atmosphäre hinein setzt Elīna Garanča ihre einzigartige Deutung der Wesendonck-Lieder von Richard Wagner und beschenkt das Publikum zusammen mit den Wiener Philharmonikern unter dem Dirigat von Christian Thielemann mit einem Musikerlebnis von entrückender Dichte und innigem Ausdruck. Der seelenvolle Liederzyklus von Richard Wagner passt in seiner Schwermut und Emotionalität denkbar gut in diese außergewöhnlich labile Zeit.
Wagner komponierte die »Fünf Gedichte für eine Frauenstimme und Klavierbegleitung « in den Jahren 1857 und 1858 und verarbeitete darin seine Gefühle zu Mathilde Wesendonck, die er in seinem Schweizer Exil in Zürich kennen und lieben gelernt hatte. Eine wirkliche Liebesbeziehung konnte sich allerdings nicht entwickeln, schließlich waren sowohl der Komponist als auch seine erwählte Muse verheiratet, und so nahm die sehnsuchtsvolle amour fou ein jähes Ende, als Minna Wagner einen Brief ihres Mannes an Mathilde entdeckte. In den fünf Liedern, die Wagner auf Grundlage von Gedichten Wesendoncks komponiert hat, spiegelt sich diese zerrissene Gefühlslage zwischen Hochgefühl und Melancholie, Liebe, Todessehnsucht und Erlösung eindringlich wieder. Diese thematisierte Wagner später auch in seinem Musikdrama Tristan und Isolde und die beiden Lieder »Im Treibhaus« und »Träume« aus dem Wesendonck-Zyklus bezeichnete er ausdrücklich als Studien zu seinem späteren Musikdrama. Ursprünglich für Frauenstimme und Klavier komponiert, arrangierte Wagner das Lied »Träume« 1857 für Violine und Orchester. Felix Mottl schuf schließlich – unter Einbeziehung von Wagners Version der »Träume« – eine Orchesterversion des gesamten Zyklus, die auch in Salzburg zur Aufführung kam. Farbenreich und schillernd instrumentiert, gleichzeitig ausgesprochen zart und kammermusikalisch subtil schafft das Orchester die gelungene Basis für die intime und hochkonzentrierte Interpretation Garančas.
Salzburg im August 2021. Abermals stehen die Konzertsäle für viele Monate leer, noch immer hält die Pandemie die Welt in Atem und nach wie vor ist kein Kulturbetrieb im Normalzustand möglich. Und doch: Die Grundstimmung ist entspannter, der Blick in die Zukunft vorsichtig optimistisch, als die Salzburger Festspiele Elīna Garanča abermals auf die Bühne holen. Dies spiegelt sich auch im Konzertsaal des großen Festspielhauses, in dem wieder jeder Platz besetzt ist und die maskierten Zuschauer, getestet, genesen oder geimpft, ungewohnt eng nebeneinander sitzen. Wieder treffen Elīna Garanča und die Wiener Philharmoniker unter Leitung von Christian Thielemann aufeinander und feiern zusammen mit den Festspielen einmal mehr die Bedeutung der Live-Kultur mit einem mutigen »Trotzdem«.
Mit den Rückert-Liedern von Gustav Mahler stehen abermals Orchesterlieder im Zentrum des Abends, wobei es sich bei den fünf Stücken nicht um einen in sich geschlossenen Zyklus handelt, sondern um fünf selbstständige Einzelwerke, die Mahler zu unterschiedlichen Zeiten komponierte. Verbunden sind die einzelnen Lieder durch denselben Dichter der verschiedenen Texte, dessen feine Lyrik ihre Grundstimmung prägt. Ursprünglich komponierte Mahler die Lieder für Solostimme und Klavier und befand über ihren Grundcharakter, dass sie »im Kammermusikton gehalten« seien. Tatsächlich handelt es sich bei den Rückert-Liedern, ebenso wie bei den Wesendonck-Liedern, um innige und weitgehend intime Charakterstücke, bei denen die persönliche Empfindung im Vordergrund steht. Besonders eindrücklich kommt dies bei dem Liebeslied »Ich bin der Welt abhanden gekommen« zum Ausdruck, das mit schwebender Melodik, traumwandlerischer Aura und entrückter Schönheit in den Bann zieht. Der Text stellt bei all den Stücken zwar den leitenden Faden dar, noch prägender aber ist das jeweilige musikalische Stimmungsbild, das Mahler mit suggestiver Kraft entstehen lässt. Vier der Lieder hat Mahler selbst auch in eine Orchesterfassung gebracht, das Lied »Liebst du um Schönheit« wurde von Max Puttmann nach Mahlers Tod instrumentiert.
Elīna Garanča, die im Lied die »intimste musikalische Ausdrucksform überhaupt« erkennt, zelebriert an den Abenden in Salzburg die in Orchesterlieder gegossene Verinnerlichung gleich einer Rückbesinnung auf den Kern der Musik. Mit bronzefarbener Tiefe und schwebenden Höhen lotet sie die verschiedenen Stimmungsbilder aus und besticht mit perfekter Artikulation der Texte und hochkonzentrierter Emotionalität, bei der es weder ein zu viel noch ein zu wenig zu geben scheint. Die Gattung des Orchesterlieds reichert die Kraft der persönlichen Stimme um die Farbigkeit und Dichte des Orchesterklangs an und lässt die Lieder zu konzentrierten Arien werden, bei denen Thielemann am Pult meisterhaft die Balance zwischen Solistin und Klangkörper hält.
Was also macht ihn aus, diesen besonderen Zauber des Live-Konzerts? Es ist eben das, was bei den Auftritten von Elīna Garanča in Salzburg zu erleben war – Musik, die unmittelbar von Herz zu Herz gelangt. Selten waren solche Momente kostbarer als in dieser Zeit.
Dorothea Walchshäusl
 
 
ON MUSIC AFTER SILENCE AND ON HARMONY BETWEEN HEARTS
ELĪNA GARANČA LIVE AT THE SALZBURG FESTIVAL
TWO EXCEPTIONAL CONCERTS DURING A PANDEMIC
What is it that makes a live concert such a magical experience? What makes it so powerful, so brilliant and so intense? The two concerts that are documented in this album provide an answer to these questions and at the same time have gone down in the annals of music – and not just for their exceptional musical qualities. No less remarkable is that they took place at a time when live performances with an audience were not a matter of course, a time, in fact, when live music had been silenced a few months earlier.
Salzburg in August 2020. In the course of the previous months the world had been shaken to its very foundations by the coronavirus pandemic, and few aspects of our lives were as badly and as grievously affected as the arts. The sudden enforced lockdown in the spring of 2020 had left artists and audiences alike longing for a resumption of concert life and for the restoration of that magical relationship between stage and auditorium that no sound-carrier or digital transmission can replace. At the same time there was considerable concern about the uncertain manner in which this situation might develop and about the difficulty of making any definite plans. It was against this background that the Salzburg Festival took a courageous step, accepting the risks involved in giving live concerts while simultaneously limiting those risks by introducing far-reaching safety measures. As a result the mood on the evening when Elīna Garanča gave her first recital in the Festspielhaus was a mixture of cautious euphoria and increased vigilance. The number of concertgoers was markedly reduced and they were admitted to the auditorium only on presentation of a personalized ticket, face coverings were mandatory and audience members were scattered around the hall like so many socially distanced chess pieces. It was a fundamentally strange situation that had little in common with the carefree habits associated with concertgoing only a short time earlier. All the more overwhelming, then, was the moment when familiarity returned, the musicians walked out on to the stage and live music – so painfully missed for so many long months – could again be enjoyed in all its visceral immediacy. This, then, was the atmosphere in the Festspielhaus when Elīna Garanča joined forces with the Vienna Philharmonic under Christian Thielemann and presented her listeners with her unique interpretation of Wagner’s Wesendonck-Lieder, offering them a musical experience of rapt intensity and heartfelt expression. The melancholy and emotionality of Wagner’s soulful song cycle is singularly well suited to this unusually uncertain age.
Wagner wrote his “Five Poems for a Female Voice with Pianoforte Accompaniment” in 1857 and 1858, using them as a way of processing his feelings for Mathilde Wesendonck, whom he had got to know in Zurich, where he was living in exile, and with whom he fell in love. He himself and his chosen muse were both married, so there could be no question of an actual affair, and the feelings of desire sparked by this amour fou came to a sudden end when Wagner’s wife Minna intercepted a letter from her husband to Mathilde. These five songs are settings of Mathilde’s poems and reflect the couple’s state of inner turmoil, veering as it did between elation and melancholy and between love and a longing for death and, with it, redemption. Wagner later explored all of these themes in greater depth in his music drama Tristan und Isolde and, indeed, two of the Wesendonck-Lieder – “Im Treibhaus” and “Träume” – were explicitly designated “studies” for a work on which he was already embarked. All five songs were initially scored for voice and piano. Wagner arranged “Träume” for violin and orchestra in 1857, Felix Mottl then orchestrated the complete set (incorporating Wagner’s version of “Träume”) in the early 1890s, and it is this version that was performed in Salzburg. The instrumentation is colourful and iridescent, while at the same time creating a sense of tenderness and chamber-like subtlety that provides the ideal basis for Elīna Garanča’s intimate and highly concentrated interpretation.
Salzburg in August 2021. Concert halls had once again been empty for several months while the pandemic continued to hold the world in a state of breathless suspense, with the result that it was still not possible to give concerts under normal conditions. And yet the underlying mood was now more relaxed and, when the Salzburg Festival invited Elīna Garanča to return for another recital, it was possible to look to the future with a feeling of cautious optimism. This optimism was reflected in the mood of the audience in the Großes Festspielhaus, where every seat was occupied, although audience members were still required to wear face coverings and to have been tested or to prove that they had either recovered from the coronavirus or been vaccinated against it. Such physical proximity felt unusual. And once again Elīna Garanča appeared with the Vienna Philharmonic under Christian Thielemann, again celebrating the return of live culture by striking a courageous and defiant note.
Orchestral songs were again at the heart of the programme, this time Mahler’s Rückert-Lieder. These five songs do not, however, constitute a self-contained cycle but are individual pieces that Mahler wrote at different times. Their only link is that all five poems were written by the same poet, whose sensitive verse sets their basic tone. Mahler originally set all five poems for solo voice and piano, opining that they were “chamber-like in character”, and there is no doubt that the Rückert-Lieder, like the Wesendonck-Lieder, are heartfelt, largely intimate character-pieces that privilege personal emotion. This aspect finds particularly impressive expression in the heartfelt love song “Ich bin der Welt abhanden gekommen”, whose floating melodic line and rapt beauty cast their spell on the listener, while creating a somnambulistic atmosphere. With all these songs, the words forge an underlying link, but a far more striking characteristic is the individual musical mood that Mahler conjures up for each song with such suggestive power. Mahler himself orchestrated four of these songs, while “Liebst du um Schönheit” was instrumented by Max Puttmann after Mahler’s death.
Elīna Garanča regards lieder as “the most intimate form of musical expression”, and at these two concerts in Salzburg she celebrated the interiority of these orchestral songs as a return to the essence of music. With her burnished lower register and effortlessly floated high notes, she explored these various portraits, impressing her listeners with her flawless articulation of the words and her highly concentrated emotionality, offering neither too much nor too little. As a genre, the orchestral song invests the power of the individual voice with the colour and density of orchestral sonorities and transforms these songs into concentrated arias, with Thielemann on the podium maintaining a magisterial balance between the soloist and the orchestra.
What is it, then, that constitutes the particular magic of a live concert? It is precisely what audiences were able to hear and feel at Elīna Garanča’s concerts in Salzburg – music that passes directly from one heart to another. Rarely have such moments been more precious than they are at the present time.
Dorothea Walchshäusl

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