Zu Lebzeiten hatte es Bernd Alois Zimmermann nicht immer leicht. Den künstlerischen Ursprüngen nach dem Kreis der Neoklassizisten entwachsen, sorgte er für deren Unmut, als er in der frühen Nachkriegszeit für die Schönberg’sche Reihentechnik eintrat. Den Serialisten wiederum war er stellenweise zu konform, weil er auch leichtere Kost für den Rundfunk schrieb. Aus der Perspektive der Gegenwart jedoch war Zimmermann ein mutiger und neugieriger Grenzgänger, der viele grundlegende Vorstellungen der postseriellen Musik prägnant formuliert hat. Und er war ein ungemein vielseitiger Komponist, wie die Aufnahme “Canto di speranza” von drei beispielhaften Werken aus verschiedenen Schaffensphasen mit herausragenden Solisten wie dem Geiger Thomas Zehetmair, dem Cellisten Thomas Demenga und dem Dirigenten, Oboisten und Komponisten Heinz Holliger in der Reihe ECM New Series dokumentiert.
Tatsächlich dachte Bernd Alois Zimmermann (1918–70) weit voraus. Eine seiner zentralen Ideen war die Vorstellung, dass sich in der Musik die traditionelle lineare Gliederung von Zeit aufhebe. Im unmittelbaren künstlerischen Vollzug passierten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem, was wiederum zu einer Collagentechnik führte, die versuchte, möglichst viele Ebenen eines Klangphänomens gleichzeitig darzustellen. Dieses Schichtmodell, die “Kugelgestalt der Zeit” (Zimmermann), die inzwischen in der Ära des Netzwerkens vorstellbar und sogar alltäglich geworden ist, stieß jedoch in den fünfziger und sechziger Jahren durchaus auf Skepsis. Erst als der Komponist mit seiner Oper “Die Soldaten” (1958/64) nach dem gleichnamigen Sturm & Drang-Drama von Jakob Michael Reinhold Lenz seine Klangschichtmodelle auch theatralisch erfahrbar machte, wuchs das Verständnis auf breiter Basis für seine letztlich philosophischen Modelle.
Inzwischen gilt Bernd Alois Zimmermann als einer der zentralen Komponisten der postseriellen Musik. Die in Zusammenarbeit mit dem WDR Sinfonieorchester entstandenen Aufnahmen der “Konzerts für Violine und Orchester” (1950), außerdem das “Canto di speranza – Kantate für Violoncello und kleines Orchester” (1952/57) und der “Ekklesiastischen Aktion für zwei Sprecher, Bass-Solo und Orchester – Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne” (1970) verweisen dabei auf die Vielfalt der musikalischen Ausdrucksformen, die der unkonventionelle Komponist für sich beanspruchte. Während das Konzert noch Einflüsse der Zwölftontechnik erkennen lässt, ist die Kantate eine innerliche, stellenweise minimalistische Meditation und die Ekklesiastische Aktion eine auf Performance-Ideen zurückgreifende zeitgenössische Umsetzung von Bibel- und Dostojewski-Texten in der Gestalt eines polymorphen Oratoriums. Alles zusammen ergibt ein faszinierendes und hervorragend besetztes musikalisches Zeitbild aus der Perspektive eines komponierenden Visionärs.