London, 2016. Ein Bewusstseinsstrom während der Produktion meines kommenden Albums „O“. Ich griff zum Stift, ließ meine Fantasie von der Leine. „Favorite Rain“ entstand ohne die Frage nach dem Warum. Ich wusste nicht, wohin die Reise inhaltlich führen sollte. Als der Song schließlich geschrieben war, wuchs das Gefühl, „Favorite Rain“ für einen kleinen Menschen geschrieben zu haben, der in mir wuchs. Aber weder war ich zu dem Zeitpunkt schwanger, noch kannte ich den Vater meines inzwischen geborenen Sohnes, dem dieser Song gewidmet ist.
Während ich ein Storyboard für das gleichnamige Video schrieb, durchwehte der Begriff „Zensur“ den Raum. Ich wollte die weibliche Brust, meine Brust zeigen, die ich meinem weiblichen Selbstverständnis nach als wunderschönes Körperteil empfinde. Weibliche Beine sind in unserem Alltagslogos selbstverständlich, aber in den so genannten „Sozialen Netzwerken“, die ihrem Ursprung nach dem Modernismus zugesprochen werden, wird das Zeigen der weiblichen Brust zensiert. Im Gegensatz zur männlichen Brust, wird die offene Darstellung des weiblichen Pendants nach wie vor als „unsittlich“ erachtet. Das finde ich anachronistisch und sexistisch.
Im „Favorite Rain“-Video habe ich mich aus ästhetischen Gründen ganz bewusst dafür entschieden, mich nicht selbst zu zensieren und meine Brust nicht zu verdecken. Soweit so klar. Mein Wunsch, Muttermilch als ebenfalls tragendes Element des Lebens im Video zu visualisieren, entsprang einer Fragestellung, die mich beschäftigte: Warum wird es als verstörend empfunden, Muttermilch zu sehen, obschon das Stillen eines Babys zum Natürlichsten zählt, das man in der Mutter-Kind-Beziehung erfährt? Muttermilch tränkt in der Mitte des Videos mein Gesicht. Sind wir als Menschenkollektiv bereits dergestalt von Pornografie eingenommen, dass diese Video-Sequenz zunächst ganz anders interpretiert wird? Ich finde diese Frage äußerst relevant und gleichsam amüsant. Nicht zuletzt, weil mein Körper im Video eine beinahe sakrale Haltung einnimmt.
Die Musik des Songs, der das Video trägt, ist mit ihren Sounds, die wie kleine Lichter auftauchen und das Bewusstsein auf sich ständig neu ergebende Fährten locken, assoziativ gehalten und sie ist gleichzeitig dem Pop zugewandt. Pop und Kunst haben sich in meiner Wahrnehmung von Musik nie ausgeschlossen.
Will ich mit „Favorite Rain“ provozieren? Der Gedanke, das Denken anzuregen, gefällt mir. Auch das ist ein Ausdruck von Liebe.