In Carolin Widmann und Dénes Várjon haben wir am vergangenen Montagabend im Berliner Club Berghain zwei enthusiastische junge Musiker und zwei großartige Kommunikatoren erlebt. Das deutsch-ungarische Kammermusikduo wagte sich an die Präsentation zweier Violinsonaten Robert Schumanns. Das ist Musik, die im Konzertsaal schon ordentlich Ansprüche an Gehör und Geist des Publikums stellt, weil in sich in diesen Spätwerken die enorme Zerrissenheit und – im Falle der 3. Sonate – auch der geistig-seelische Verfall Schumanns widerspiegeln.
Derart komplexe Musik in einem Nachtclub zu präsentieren, indem es bei aller Andacht und Magie der Atmosphäre nie vollkommen still wird, ist ein echtes Experiment – das in diesem Fall voll aufgegangen ist.
Widmann und Várjon haben bewundernswert sicher den Spagat bewältigt, im Musizieren ganz Konzentration und Entrückung zu vermitteln und in ihren zwischenzeitlichen Moderationen die Zuhörer im lockeren Plauderton in die Innenwelt dieser Kompositionen hineinzuführen.
Nur ein kleines Beispiel: Die Notenfolge f-a-e durchzieht als Leitmotiv die gesamte dritte Sonate. Wie anders, mit wieviel mehr Gewinn hört man dieses schwierige Werk, wenn die Violinistin das Motiv eingangs für sich stehend intoniert und erklärt, dass f-a-e für frei aber einsam steht?
Carolin Widmann musiziert sehr bewegt. Leidenschaftlich, expressiv und tiefernst intonierte sie Schumanns düstere seelische Kämpfe. Wann immer sie dann den Bogen absetzte und anfing, über die Musik, über ihre Interpretation zu sprechen, kam hinter dieser fast einschüchternden Kunst eine normale, fröhliche, lockere Frau zum Vorschein, die ihre Musikbessenheit eben mit derselben Präzision und Durchdringung umsetzt, mit der jeder andere Spitzenkönner tut was er tut. Dieses nah dran sein an der Innenwelt des Künstlers, dieses Hereingelassen werden in das, was beim Musizieren auf Spitzenniveau wirklich passiert, war das eigentliche Ereignis des Abends. Allenthalben gab es dafür stürmischen Beifall.
Robert Schumanns Violinsonaten, deren letzte überhaupt erst seit kurzem in einer zuverlässigen Edition vorliegt, haben längst noch nicht den stabilen Platz im Konzertrepertoire, der ihrem musikalischen Wert zukäme. Widmann und Várjon haben gerade bei ECM eine Gesamteinspielung vorgelegt, die ein breiteres Publikum für Schumanns späte Kammermusik begeistern wird.