Carlo Gesualdo schuf einige der ungewöhnlichsten und fortschrittlichsten Werke der Renaissance. Er war ein Harmoniker, der, kühn bis zur Gesetzlosigkeit, von den Hütern liturgisch gebundener Sakralmusik auf jedem seiner unberechenbaren Tonschritte argwöhnisch beobachtet wurde. Heute blicken wir auf den nach seinem Tod bis zu seiner Wiederentdeckung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend in Vergessenheit geratenen Komponisten mit einer Mischung aus Erstaunen und Erschrecken zurück.
Der “Prinz der Finsternis”, wie Gesualdo vom Musikkritiker Alex Ross in einem Essay genannt wird, ermordete aus Eifersucht seine Ehefrau und deren Liebhaber. In seinen von den Themen Schmerz, Liebeskummer, Trauer und Tod dominierten Dichtungen und Kompositionen, so meinen Kommentatoren, verarbeitete er die ihn peinigenden Schuldgefühle. Das Fünfte und Sechste Madrigalbuch, entstanden in den Folgejahren des Verbrechens, enthalten besonders ausdrucksstarke und dunkle Kompositionen. Sie sind reich an extremen Harmoniewechseln und ausgeprägten Tempokontrasten und vermitteln ein äußerst modern wirkendes dramatisches Verständnis.
Mit “Quinto Libro di Madrigali” veröffentlichte das Hilliard Ensemble 2012 nach dem preisgekrönten Album “Tenebrae” erneut Gesualdo-Interpretationen. Bariton Gordon Jones erklärt: “Unser Publikum scheint dieser dramatischen Bilder nicht überdrüssig zu werden. Und für uns Interpreten bleiben die technischen und musikalischen Anforderungen stets eine Bewährungsprobe.” Er ergänzt: “Aufgrund unserer andauernden Verbindung zu Gesualdos Musik haben wir uns vor einigen Jahren gefragt, um welches seiner Werke wir unser Repertoire erweiteren könnten. Dabei ergriff uns ein Wunsch nach Vollständigkeit, sodass wir uns das gesamte Fünfte Madrigalbuch vornahmen.”